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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

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Jessen, P.: Pierre-Viktor Galland
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0061

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PIERRE-VICTOR GALLAND.

unter Napoleon III. an offiziellen Arbeiten zugefallen ist,
ist in St. Cloud und durch die Commune vernichtet worden.
Seine meisten Arbeiten waren für Pariser Privatleute
und für ausländische Gönner in Madrid, London, St.
Petersburg, New-York bestimmt; auch im Königsschloss
zu Stuttgart hat er 1866 einen Saal mit Sopraporten
verziert. Da sein Hauptgrundsatz war, dass dekorative
Gemälde in dem Kaum geschaffen werden müssten, den
sie schmücken sollten, so hat er die meisten dieser
Städte gesehen und dabei die alten Meister verschie-
dener Nation studirt; neben den Venezianern waren
ihm Velasquez und Dürer besonders wert. Lange hat
er kämpfen müssen, bis ihm in seinen letzten Jahren
große Staatsaufträge, eines der großen Gemälde im
Pantheon und die Gallerie im Stadthaus zugeteilt
wurden.

Doch hatten einsichtige Freunde seiner Kunstan-
schauung ihn früher an eine hervorragende Stelle ge-
rückt. Man gründete im Jahre 1873 eigens für ihn an
der Ecole des beaux arts eine Professur der dekora-
tiven Künste. Bei ihm sollten die Architekten, die
Maler und die Bildhauer gemeinsam lernen, was sie
zur Lösung dekorativer Aufgaben großen Stils befähigte.
Doch entsprach der Erfolg nicht den Hoffnungen; Gal-
land stieß auf den Widerstand vieler Kollegen, fand
wenig Schüler und hat es nicht erreicht, den Sonder-
geist und den Hochmut der Einzelkünste zu besiegen.

In seinem zweiten Amt als künstlerischer Leiter
der Gobelin-Manufaktur seit 1877 hat er unter der Will-
kür der Kunstverwaltung gelitten, von der Havard sehr
freimütig Proben giebt. Man vergab die Aufträge ohne
sein Zuthun, ließ sich die Schüler entgehen, die er für
die Manufaktur ausbildete, und hat sein Hauptwerk,
eine Reihe großer Wandteppiche für den Elyseepalast,
noch heute nicht verwertet. Man liest mit Bewunde-
rung, wie der jugendfrische Greis trotz alledem weiter
hoffte und arbeitete.

Die Kraft der Arbeitest eine der anziehendsten
Züge in diesem Künstlerbilde; in Havard's Werk ist
seine Methode schon aus den mannigfachen Abbildungen
zu erkennen. Leichte Kreideskizzen und eine virtuose
Farbenskizze bilden den Anfang; dann studirt er Kom-
position und Zeichnung in wenigen Farbtönen; die Na-
turstudien betreffen jeden Teil des Bildes, Figuren,
Pflanzen, die Architektur, die kleinsten Ornamente; er
selbst modellirte sich flotte Hilfsmodelle, um die Figur
besser zu beherrschen; erst nach allen diesen Vorarbeiten
geht er ans Werk und klagt immer noch, dass die
heutige Zeit dem Künstler nicht die Muße gebe, sich
in die Natur zu vertiefen. Was ein einzelner sich an
Hilfsmitteln schaffen konnte, hat er mit oft großen
Opfern sich gegönnt. Sein Garten in Fontainebleau war
mit eigener Kunst für das Studium der Pflanze einge-
richtet; aus vertieften Gängen studirte er die Gewächse
in den Ansichten, die er für die Wand gebrauchte; für

die Deckenbilder hatte er sich Gruben graben lassen
aus denen herauf er die überhangenden Ranken und,
Zweige in ihrem eigentümlichen Licht malte. Auch die

Wandteppich für den Salon des Poemes im Elysee-Palast
(Aus Havard: L'oeuvre de P.-V. Galland.).

Struktur der Pflanzen zeichnete er unermüdlich, um
seine Formenwelt zu vertiefen und zu bereichern; da-
bei meinte er, man brauche sich nicht an fremde, exo-
 
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