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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

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Scherer, Christian: Studien zur Elfenbeinplastik des 18. Jahrhunderts, [2]: Der Elfenbeinbildner PH
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0071

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STUDIEN ZUR ELFENBEINPLASTIK DES 18. JAHRHUNDERTS.

selbe bezw. sein Monogramm Veranlassung gegeben
hat, der Geschichte der Elfenbeinbildnerei den Namen
eines Künstlers zuzuführen, von welchem man bis
dahin noch nicht das geringste wusste und der —
um dieses gleich im voraus zu betonen — auch
heute noch in völliges Dunkel gehüllt ist. Der
Name eines Elfenbeinbildners Pfeifhofen ist, soweit
ich feststellen konnte, der gesamten Kunstgeschichte
unbekannt und die Existenz dieses Künstlers beruht
mithin allein auf jener Aufschrift auf der Rückseite
obigen Reliefs, deren Echtheit bereits von Kugler
angezweifelt wurde. Ihm folgend hat Nagler Mo-
nogr. IV, 2989 diesen Zweifel geteilt, indem er in der-
selben bestimmten Form von einer neuen Aufschrift
spricht, ohne je-
doch, wie es scheint,
diese letztere per-
sönlich untersucht
zu haben. Und in
der That, ich glau-
be vorläufig nicht,
dass wir ein Recht
haben, die mit dem
Monogramm PH
bezeichneten Ar-
beiten in Elfenbein
auf diesen apokry-
phen Namen, von
dem die Kunstge-
schichte nicht das
Geringste weiß, zu
taufen; zum min-
desten sollte, so-
lange nicht genaue
und zuverlässige Angaben über die Persönlichkeit
dieses Pfeifhofen, vielleicht aus Akten irgend eines
Archives oder aus Kirchenbüchern auftauchen, diese
Namengebung, wo sie sich findet, stets mit einem
großen Fragezeichen versehen sein.

Nicht minder zweifelhaft ist auch eine andere
Deutung des Monogramms, die wir ebenfalls kurz
berühren müssen.

Auf der Ausstellung der Werke älterer Meister,
die im Jahre 1876 zu München stattfand, war von
der Generalverwaltung der Königlichen Museen in
Berlin ein Elfenbeinrelief, einen Klausner darstellend,
eingesandt worden, das in dem von A. Kuhn ver-
fassen Katalog II, Nr. 1121, S. 162 als eine Arbeit
des Peter van Harlingen aus dem Jahre 1602 be-
zeichnet wurde. Da der Gegenstand der nicht näher
beschriebenen Darstellung sowie die beigefügten

Spielende Kinder.
Elfenbeinrelief im Herzoglichen Museum 7.11 Brannscliweig.

Maße (0,12 h; 0,07 br.) mit obigem Relief überein-
zustimmen scheinen, liegt die Vermutung nahe, dass
es sich hier um ein und dasselbe Werk handelt,
eine Vermutung, die zur Gewissheit wird durch die
ausdrückliche Angabe des Urhebers dieses Werkes.
Denn wie kam Kuhn auf jenen Namen? Offenbar
nur durch das auf demselben befindliche, die beiden
Buchstaben P und H enthaltende Monogramm, das
er — vielleicht ohne Kenntnis zu haben von der
Aufschrift auf der Rückseite oder auch weil er die-
selbe für verdächtig hielt — nach Brulliot, Dic-
tionnaire des Monogrammes, S. 948, Nr. 92 und Nag-
ler, Monogrammisten IV, Nr. 2989 auf Pieter Feddes,
genannt Pieter van Harlingen, deutete. Diese Deu-
tung ist jedoch un-
richtig, da dieser
holländische Meis-
ter sich auf seinen
Stichen ■— denn
nur um solche han-
delt es sich — ent-
weder mit seinem
vollen oder abge-
kürzten Namen1)
oder auch mit dem
Monogramm B?2)
bezeichnet hat, zu-
dem aber, wie die
Nachrichten über,
ihn melden, wohl
als Maler, Radirer
und Glasmaler, nie.
aber, soweit ich
feststellen konnte,
als Elfenbeinbildner thätig gewesen ist.:!) Wie
öfters in der Kunstgeschichtsschreibung, so liegt
also auch in diesem Falle eine kritiklose Benut-
zung jener, wie längst erwiesen, von mannig-
fachen Irrtümern vollgepfropften Monogrammen-
lexiken vor, die bei der gewiss in großer Eile ge-
schehenen Abfassung jenes Ausstellungskatalogs wohl
zu entschuldigen wäre, wenn sie nicht auch in des-
selben Verfassers inhaltreichen Aufsatz „Über Elfen-
beinschnitzer" (Kunst und Gewerbe 1877, S. 178)
übernommen worden wäre. So rnuss der Irrtum
berichtigt und Peter van Harlingen aus der Zahl

1) Vergl. Nagler, Künstlerlexikon IV,'S. 261.

2) Siebe Ris-Paquot, Marques et Monogrammes I, Nr. 4990.

3) Siehe Irnmerzeel, De Levens en Werken der Holland-
sche en Vlaamsche Kuristschilders, Beeldhouwers, Graveurs
en Bouwmeesters I, S. 236, und Kramm I, S. 480.
 
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