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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

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Scherer, Christian: Studien zur Elfenbeinplastik des 18. Jahrhunderts, [2]: Der Elfenbeinbildner PH
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0073

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52

STUDIEN ZUR ELFENBEINPLASTJE DES 18. JAHRHUNDERTS.

Familie in der Elfenbeinsammlung des Herzoglichen
Museums zu Braunschweig.') (s. Abb. S. 51) Maria, nach
rechts sitzend, hält das Kind auf dem Schöße, das mit
einem Kreuze spielt, welches der an das Knie der
Jungfrau sich anschmiegende Johannesknabe im Arm
hält; hinter dieser Gruppe der heilige Joseph, nur
mit dem Oberkörper sichtbar, den er bequem auf
eine Brüstung stützt. Im Hintergrunde ein mit
wenigen dünnen Bäumen besetzter Felsen.

In derselben Sammlung2) befindet sich sodann
eine Jungfrau mit dem Kinde. Maria, nach rechts
auf einem am Boden liegenden Polster sitzend, will
dem Kinde, das sich begehr-
lich herandrängt, die Brust
reichen. Im Hintergrunde links
ein grabmalähnlicher Bau mit
pyramidenförmigem Aufsatz,
rechts ein hinter einem Felsen
in die Luft ragender spitzer
Turm und Häuser, die an einem
Bergabhange liegen.

Der Typus der Madonna
auf beiden Reliefs ist durch-
aus derselbe. Sie ist mehr
Frau als Jungfrau; den leicht
gesenkten Kopf bedeckt dich-
tes, wellig zurückgekämmtes
Haar, die Züge des etwas vollen
Gesichts sind ein wenig ernst,
wenn auch von mütterlicher
Zärtlichkeit erfüllt. Ein Unter-
kleid und Mantel, der in schwe-
ren Falten geordnet ist, um-
giebt den Körper, ohne jedoch
die Formen desselben gänzlich
zu verhüllen. Die nackten
Kindergestalten sind unge-
zwungen und natürlich bewegt und in den Kör-
pern sorgfältig und lebenswahr durchgebildet, die
Landschaft dagegen ist ziemlich oberflächlich und
schematisch behandelt.

In eine völlig andere Sphäre versetzen uns die
beiden, ebenfalls im Herzoglichen Museum zu Braun-
schweig befindlichen Genrefiguren im holländischen
Geschmack3), von denen die eine einen Bauer dar-
stellt, der halbschlafend im Lehnstuhl ruht, die Thon-
pfeife im Munde, welche die Rechte mechanisch

umklammert, während die gesenkte Linke den Bier-
krug hält (s. Abb. S. 52); die andere einen zerlumpten
Bettler, der, den linken Arm in einer Binde tragend, in
gekrümmter Haltung nach links vorwärtsschreitet,
beide Figuren in ihrer drastischen Erscheinung getreue
Abbilder jener auf den Gemälden der niederländi-
schen Kleinmeister so oft begegnenden Bauern- und
Bettlergestalten. Für vorliegenden Fall ist es aber
von besonderer Wichtigkeit, die unmittelbaren Vor-
bilder dieser beiden Figuren in zwei Radirungen
des von Adrian Brouwer stark beeinflussten Amster-
damer Malers und Stechers Pieter Jansen Quast
(1606 — 1647) nachweisen zu
können, die der Elfenbein-
schnitzer mit geringen Ver-
änderungen seinen Werken zu
Grunde gelegt hat.

Eine Wiederholung des
letztgenannten besitzt das kgl.
Grüne Gewölbe zu Dresden.1)
Dieselbe weicht zwar in uner-
heblichen Einzelheiten, so be-
sonders in der Bildung der
geschlitzten, zerfetzten Bein-
kleider, von dem Braunschwei-
ger Relief ab, ist aber in der
Hauptsache eine getreue Re-
plik desselben; auch das Mo-
nogramm PH befindet sich
ziemlich an derselben Stelle
unter dem linken Fuße des
Bettlers.2)

Schlafender Bauer.
Elfenbeinrelief im Herzoglichen Museum zu Braunschweig.

Wiederum einem anderen
Stoffkreise gehört das siebente
und letzte Werk des Meisters
an, das sich gleichfalls im Be-
sitze des Braunschweiger Museums befindet3) und
vier nackte, zum Teil mit Blätterzweigen bewaff-
nete Knaben zeigt, von denen zwei miteinander
balgen, während die beiden anderen sich mit einem
Hund beschäftigen (s. Abb. S. 50). Auch von diesem
Relief ist eine Wiederholung vorhanden, und zwar im

1) Führer durch die Sammlungen 1891, S. 236, Nr. 32(3.

2) Führer, S. 241, Nr. 416.

3) Führer, S. 237, Nr. 347, 348.

1) Siehe J. Erbstein, Das Königl. Grüne Gewölbe zu
Dresden. Kleine Ausgabe, 1892, S. 3, Nr. 137; hier als Arbeit
Pfeifenhofen's bezeichnet.

2) Ich verdanke das Nähere über dieses Relief der gü-
tigen Mitteilung des Herrn Hofrat Dr. J. Erbstein, der mir
auch die Maße desselben angab: 0,128 h., 0,080 br.

3) Führer, S. 234, Nr. 277.
 
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