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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

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Leitschuh, Franz Friedrich: Die Kunstgewerbeschule in Straßburg (Elsass)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0080

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DIE KUNSTGEWERBESCHULE IN STRASSBURG (ELSASS).

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Sehnürchenstickerei aus Kagusa. Aus Alois Riegl: Stilfragen.

Position von Bijouterie, erreicht haben, die Ver-
wertung von Naturmotiven, sowohl realistisch als
stilisirt, geläufig ist. Dabei ist selbstverständlich
nicht ausgeschlossen, dass auch von den mustergül-
tigen Schätzen der Vergangenheit ausgiebig Ge-
brauch gemacht wird. Dasselbe lässt sich auch von
der Werkstätte für Kunstschlosserei (Lehrer: Bühler)
sagen. Der Unterricht beginnt hier mit der tech-
nischen Handfertigkeit und geht nach erlangter
Übung zur eigentlichen Kunstschlosserei, zur Treib-,
Kunstschmiedearbeit u. s. w. über. Auch auf diesem
Gebiete, auf welchem die Technik in den jüngsten
Jahren so bedeutende Fortschritte gemacht hat, war
die Vergangenheit Führerin, deren Werke aber durch
die leichte Behandlung des Blattwerkes, durch ihre
reiche Blütenentwickelung stets auf die Bildung und
Behandlung der Form durch die Lehrmeisterin Natur
das Studium hinlenken. In der Werkstätte für Kunst-
schreinerei (Lehrer: Rapp) geht das fachliche Zeich-

nen Hand in Hand mit der Pflege der technischen
Handfertigkeiten. Es ist hier zur Regel geworden,
dass der Schüler nichts anfertigt, was er nicht zuerst
geometrisch und dann perspektivisch gezeichnet hat.
Dadurch verschafft sich der Schüler nicht nur die
Fähigkeit, die Pläne und Zeichnungen anderer zu
verstehen, sondern er lernt auch, seine eigenen Ge-
danken und Ideen in Plänen und Zeichnungen aus-
zudrücken. In der Werkstätte wird der Unterricht
allmählich in die Möbelschreinerei übergeführt, so
dass der Lehrling sich eine vollständige Kenntnis
der praktischen Details seines zukünftigen gewerb-
lichen Berufes verschaffen kann und durch diese
Lehrmethode mit der technischen Anwendung des
theoretischen Wissens auf die praktische Arbeit ver-
traut wird.

Die Abendschule, in welcher dieselbe Lehr-
methode zur Anwendung kommt, ergänzt die Tages-
schule; sie ist aber auch für jene Lehrlinge und Ge-
hilfen bestimmt, die neben ihrer Thätigkeit im
Dienste eines selbständigen Gewerbetreibenden in
den Abendstunden Zeichnen, Malen und Modelliren
lernen wollen. In den unteren Klassen der Abend-
schule werden Blätter, Blumen und Früchte im
Massenunterricht vorgezeigt, erklärt und an der
grauen Tafel mit Kohle vorgezeichnet; in den höhe-
ren Klassen dagegen ist der Unterricht individua-
lisirt: jeder Schüler wird angehalten, das seinem
Gewerbe entsprechende Facbzeichnen zu betreiben.
So richtet sich die Unterweisung also nach dem
Handwerk und nach der Befähigung des Schülers,
aber den Ausgangspunkt des Unterrichts bildet auch
hier die Natur und das angestrebte Ziel bleibt auch
hier die realistische oder stilisirte Verwertung der
Naturmotive.

Auf diese Weise erfüllt die Schule ihren doppel-

Fragment von der Bordüre eines persischen Teppichs des IB. Jahrh. Aus Alois äiegl : Stilfragen.
 
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