DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.
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unter dem Vorwande, überflüssigem Luxus zu steuern,
Abstriche machen. Diejenigen hingegen handeln mit
Weisheit, die durch Spendung möglichst reicher Mittel
der Kunst und dem Kunstgewerbe Gelegenheit geben,
zu arbeiten und an der Arbeit zu erstarken. Und
diejenigen haben wohl gethan, welche die gewaltigen
Summen zum Bau des neuen deutschen Reichstags-
hauses gewährten. Die für den Bau gemachten
Aufwendungen im Betrage von rund 23 Millionen Mark
haben bereits Früchte insofern getragen, als eine statt-
liche Anzahl Künstler und Kunstgewerbetreibender aus
nicht in der üblichen sklavischen und simplen Nach-
ahmung eines historischen Stils, sondern aus der ge-
bärenden Macht einer scharf ausgeprägten, gedanken-
reichen Individualität, der es gestattet ist, Alles, was
in ihr liegt, ohne Bückstand aus sich herauszuar-
beiten, und die begriffen hat, dass nur der ein wah-
rer Künstler ist, der den Bedürfnissen seiner Zeit ge-
nügt und zugleich Neues und Bleibendes in die Zeit
hineinwirft. Zwar ist manches anders geworden, als
Paul Wallot ursprünglich geplant hatte, teilt er doch
das Schicksal der meisten großen Künstler: den Kampf
OBERGESCHOSS
50.M.M£RSTP.AS:>£
-v***?
allen Teilen des Reiches zur Vollendung des großen
Werkes herangezogen wurden und belebenden Anreiz
erfahren haben, und sie werden noch Früchte tragen,
denn ein Monument hervorragender und seltener Art,
das bis in die feinsten dekorativen Einzelheiten seines
großen Organismus von dem tiefen Geiste und der ori-
ginellen und unversieglichen Gestaltungskraft seines
großen Meisters redet, streut fortdauernd eine Saat des
Schönen aus, die in den Herzen der Zeitgenossen und
der Nachkommen aufgehen muss zu neuen Schöpfungen.
Nicht aus der Schablone ist dieser Bau erstanden,
für das Ersonnene gegen störende Einwürfe stark selbst-
bewusster Elemente. Nachdem er im Jahre 1882 mit
seinem ersten Entwürfe den vornehmsten Preis im Wett-
bewerb errungen, gelangte erst mit der Neubearbeitung
eines vierten Entwurfes der für die Ausführung des
Baues endgültig bestimmte Plan zur Annahme. Und in
der Folgezeit vollzog sich noch jene tief greifende
Wandlung bezüglich der Kuppel. Aber die Hemmnisse
haben das Große nicht zu beugen vermocht.
Jeder Bau ist von innen heraus seinen Zwecken
entsprechend zu gestalten. Die Raumgestaltung des
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unter dem Vorwande, überflüssigem Luxus zu steuern,
Abstriche machen. Diejenigen hingegen handeln mit
Weisheit, die durch Spendung möglichst reicher Mittel
der Kunst und dem Kunstgewerbe Gelegenheit geben,
zu arbeiten und an der Arbeit zu erstarken. Und
diejenigen haben wohl gethan, welche die gewaltigen
Summen zum Bau des neuen deutschen Reichstags-
hauses gewährten. Die für den Bau gemachten
Aufwendungen im Betrage von rund 23 Millionen Mark
haben bereits Früchte insofern getragen, als eine statt-
liche Anzahl Künstler und Kunstgewerbetreibender aus
nicht in der üblichen sklavischen und simplen Nach-
ahmung eines historischen Stils, sondern aus der ge-
bärenden Macht einer scharf ausgeprägten, gedanken-
reichen Individualität, der es gestattet ist, Alles, was
in ihr liegt, ohne Bückstand aus sich herauszuar-
beiten, und die begriffen hat, dass nur der ein wah-
rer Künstler ist, der den Bedürfnissen seiner Zeit ge-
nügt und zugleich Neues und Bleibendes in die Zeit
hineinwirft. Zwar ist manches anders geworden, als
Paul Wallot ursprünglich geplant hatte, teilt er doch
das Schicksal der meisten großen Künstler: den Kampf
OBERGESCHOSS
50.M.M£RSTP.AS:>£
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allen Teilen des Reiches zur Vollendung des großen
Werkes herangezogen wurden und belebenden Anreiz
erfahren haben, und sie werden noch Früchte tragen,
denn ein Monument hervorragender und seltener Art,
das bis in die feinsten dekorativen Einzelheiten seines
großen Organismus von dem tiefen Geiste und der ori-
ginellen und unversieglichen Gestaltungskraft seines
großen Meisters redet, streut fortdauernd eine Saat des
Schönen aus, die in den Herzen der Zeitgenossen und
der Nachkommen aufgehen muss zu neuen Schöpfungen.
Nicht aus der Schablone ist dieser Bau erstanden,
für das Ersonnene gegen störende Einwürfe stark selbst-
bewusster Elemente. Nachdem er im Jahre 1882 mit
seinem ersten Entwürfe den vornehmsten Preis im Wett-
bewerb errungen, gelangte erst mit der Neubearbeitung
eines vierten Entwurfes der für die Ausführung des
Baues endgültig bestimmte Plan zur Annahme. Und in
der Folgezeit vollzog sich noch jene tief greifende
Wandlung bezüglich der Kuppel. Aber die Hemmnisse
haben das Große nicht zu beugen vermocht.
Jeder Bau ist von innen heraus seinen Zwecken
entsprechend zu gestalten. Die Raumgestaltung des