DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.
81
bevorzugte Eäume des Hauses liegen. In jedem Interko-
luumium der übrigen Fronten liegen, entsprechend den drei
Geschossen, in einer Achse drei schlicht umrahmte, klei-
nere Fenster mit geradem Sturz, deren oberstes als ge-
meinsames und zusammenfügendes Glied der Gruppe gleich-
falls wie jenes in der Front am Königsplatz eine Giebel-
verdachung erhalten hat. Begründet sind diese kleineren
Fenster durch den Umstand, dass hinter ihnen Räume
einfacher Bestimmung, und zwar solche für Geschäfts-
und Verwaltungszwecke, liegen.
Ihren Schmuck haben diese Fronten, abgesehen von
iliren Risaliten, vornehmlich in Fensterschlusssteinen
erhalten. Den gewaltigen Bogen der Front am Königs-
platz sind mächtige, von Leben durchglühte Köpfe ein-
gefügt, mit denen Prof. Widemann-Frankfurt all.
charakteristisch und scharf die deutschen Flüsse: Neckar.
Isar, Weser, Weichsel, Rhein, Main. Spree, Elbe, Havel
und Oder personifizirt hat. Die zugehörigen Fenster-
einstellungen sind in der Mitte bekrönt mit den Wappen
deutscher Städte. Dieses heraldische Element setzt sich
fort in den Schlusssteinen der Fenster des Zwischen-
geschosses der übrigen Fronten, und zwar sind hier die
Wappenschilde der Bundesstaaten mit ihren in den Stein
gemeißelten Namen angebracht. Ein weiterer ornamen-
taler Schmuck ist mit gutem Grunde nicht beliebt
worden.
Aus diesem klar gegliederten Frontensystem mit
seiner einfachen Ornamentik treten als die bevorzugten
Glanzpunkte der Architektur die Mittelrisalite, in denen
sich die Portale befinden, die Ecktürme und der Kuppel-
aufbau hervor. Hier erst singen das Ornament und der
figurale Schmuck ihr hohes Lied.
An der Westfront am Königsplatz ist mit vor-
gelagerter, von stattlicher Auffahrt unterbrochener Frei-
treppe, auf deren oberen Wangen kraftvolle Löwen
lagern werden, das Mittelrisalit als sechssäuliger Vorbau
gestaltet. Beherrschend tritt dieser Bau, in dem das
dreithürige Festportal liegt, yor die Front. Sein Fries
soll die Inschrift erhalten: „Dem deutschen Reich!"
Im Giebelfelde hat Prof. Schaper - Berlin in leider
nicht kraftvoll genug wirkender Komposition Kunst und
Industrie unter dem Schutze des deutschen Reiches ver-
sinnbildlicht: in der Mitte lehnt an einen Eichbaum
das Wappenschild mit dem Reichsadler, flankirt von den
zwei schirmenden Heroengestalten eines Preußen und
eines Bayern, und nach den Ecken hin lagern Gruppen
idealer Gestalten: rechts Kunst und Wissenschaft, links
Handel und Industrie. Innerhalb der Giebelhalle streben
zwei von Prof. Otto Lessing-Berlin nach Wallot's Ent-
würfen in Relief modellirte Stammbäume von glück-
lichster Erfindung empor. Sie schließen das dreithürige
Portal ein. An den mächtigen Eichstamm des einen
lagert die poesieumflossene Gestalt des Vater Rhein und
an dem knorrigen Fichtenstamm des andern jene der
Weichsel. Oberhalb dieser Gestalten der beiden Haupt-
Kuustgewerbeblatt. N. F. VI. H. 5.
Eckbildung unter dem Gesims der 4 Ecktürme.
Modellirt von Prof. 0. Lessing, Berlin.
ströme im Osten und Westen des Reiches hängen an
dem Geäst der Bäume in reizvoller Anordnung und
flankirt von Genien die Wappenschilde der deutschen
Bundesstaaten, malerisch umrahmt von dem liier und da
hervorquellenden Laubwerk. Von den Stammbäumen
fällt der Blick zu der packenden Krönung über dem
Sturz der Mittelthüre. Hier reitet hoch zu Ross un-
widerstehlich die erzgepanzerte Gestalt des Drachen-
töters St. Georg dahin — der Held trägt des eisernen
Kanzlers Züge. Nach dein Modell Prof. Siemering's-
Berlin ist dieses treffliche, vom Geiste echter Volks-
tümlichkeit durchwehte Kunstwerk in Stein gemeißelt.
Von oben funkeln aus dem Kassettenwerk der Decke die
goldenen Initialen der drei Kaiser aus dem Hohenzollern-
hause herab. Abgesehen vom Kassettenschmuck, kommt
dieser Innenschmuck der Giebelhalle auch nach außen
hin zur vollsten und schönsten Wirkung. Von ihm
hinauf schweift der Blick über das Giebelfeld zur Höhe.
Hoch über dem Giebel prangt als Krönung auf der
über dem Knppelraume der großen Wandelhalle liegen-
11
81
bevorzugte Eäume des Hauses liegen. In jedem Interko-
luumium der übrigen Fronten liegen, entsprechend den drei
Geschossen, in einer Achse drei schlicht umrahmte, klei-
nere Fenster mit geradem Sturz, deren oberstes als ge-
meinsames und zusammenfügendes Glied der Gruppe gleich-
falls wie jenes in der Front am Königsplatz eine Giebel-
verdachung erhalten hat. Begründet sind diese kleineren
Fenster durch den Umstand, dass hinter ihnen Räume
einfacher Bestimmung, und zwar solche für Geschäfts-
und Verwaltungszwecke, liegen.
Ihren Schmuck haben diese Fronten, abgesehen von
iliren Risaliten, vornehmlich in Fensterschlusssteinen
erhalten. Den gewaltigen Bogen der Front am Königs-
platz sind mächtige, von Leben durchglühte Köpfe ein-
gefügt, mit denen Prof. Widemann-Frankfurt all.
charakteristisch und scharf die deutschen Flüsse: Neckar.
Isar, Weser, Weichsel, Rhein, Main. Spree, Elbe, Havel
und Oder personifizirt hat. Die zugehörigen Fenster-
einstellungen sind in der Mitte bekrönt mit den Wappen
deutscher Städte. Dieses heraldische Element setzt sich
fort in den Schlusssteinen der Fenster des Zwischen-
geschosses der übrigen Fronten, und zwar sind hier die
Wappenschilde der Bundesstaaten mit ihren in den Stein
gemeißelten Namen angebracht. Ein weiterer ornamen-
taler Schmuck ist mit gutem Grunde nicht beliebt
worden.
Aus diesem klar gegliederten Frontensystem mit
seiner einfachen Ornamentik treten als die bevorzugten
Glanzpunkte der Architektur die Mittelrisalite, in denen
sich die Portale befinden, die Ecktürme und der Kuppel-
aufbau hervor. Hier erst singen das Ornament und der
figurale Schmuck ihr hohes Lied.
An der Westfront am Königsplatz ist mit vor-
gelagerter, von stattlicher Auffahrt unterbrochener Frei-
treppe, auf deren oberen Wangen kraftvolle Löwen
lagern werden, das Mittelrisalit als sechssäuliger Vorbau
gestaltet. Beherrschend tritt dieser Bau, in dem das
dreithürige Festportal liegt, yor die Front. Sein Fries
soll die Inschrift erhalten: „Dem deutschen Reich!"
Im Giebelfelde hat Prof. Schaper - Berlin in leider
nicht kraftvoll genug wirkender Komposition Kunst und
Industrie unter dem Schutze des deutschen Reiches ver-
sinnbildlicht: in der Mitte lehnt an einen Eichbaum
das Wappenschild mit dem Reichsadler, flankirt von den
zwei schirmenden Heroengestalten eines Preußen und
eines Bayern, und nach den Ecken hin lagern Gruppen
idealer Gestalten: rechts Kunst und Wissenschaft, links
Handel und Industrie. Innerhalb der Giebelhalle streben
zwei von Prof. Otto Lessing-Berlin nach Wallot's Ent-
würfen in Relief modellirte Stammbäume von glück-
lichster Erfindung empor. Sie schließen das dreithürige
Portal ein. An den mächtigen Eichstamm des einen
lagert die poesieumflossene Gestalt des Vater Rhein und
an dem knorrigen Fichtenstamm des andern jene der
Weichsel. Oberhalb dieser Gestalten der beiden Haupt-
Kuustgewerbeblatt. N. F. VI. H. 5.
Eckbildung unter dem Gesims der 4 Ecktürme.
Modellirt von Prof. 0. Lessing, Berlin.
ströme im Osten und Westen des Reiches hängen an
dem Geäst der Bäume in reizvoller Anordnung und
flankirt von Genien die Wappenschilde der deutschen
Bundesstaaten, malerisch umrahmt von dem liier und da
hervorquellenden Laubwerk. Von den Stammbäumen
fällt der Blick zu der packenden Krönung über dem
Sturz der Mittelthüre. Hier reitet hoch zu Ross un-
widerstehlich die erzgepanzerte Gestalt des Drachen-
töters St. Georg dahin — der Held trägt des eisernen
Kanzlers Züge. Nach dein Modell Prof. Siemering's-
Berlin ist dieses treffliche, vom Geiste echter Volks-
tümlichkeit durchwehte Kunstwerk in Stein gemeißelt.
Von oben funkeln aus dem Kassettenwerk der Decke die
goldenen Initialen der drei Kaiser aus dem Hohenzollern-
hause herab. Abgesehen vom Kassettenschmuck, kommt
dieser Innenschmuck der Giebelhalle auch nach außen
hin zur vollsten und schönsten Wirkung. Von ihm
hinauf schweift der Blick über das Giebelfeld zur Höhe.
Hoch über dem Giebel prangt als Krönung auf der
über dem Knppelraume der großen Wandelhalle liegen-
11