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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

DOI Artikel:
Buss, Georg: Das Haus des deutschen Reichstages, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0113

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DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.

Cartouche über den Rundbögen des Seitenschiffs der Wandelhalle. Modellirt von Prof. Otto Lessing, Berlin.

meisterlich modellirten Schlusssteine, ausdrucksvolle
Kolossalköpfe, die Landbau, Weinbau, Bergbau und
Forstwesen darstellen; über der Attika vor den Eck-
schilden der oberen Turmkörper trotzig aufgerichtete,
breitflttige Adler und oben, als Krönung der Eckschilde
unter dem Gesims, phantastische, weit sich vorreckende
Löwenköpfe, die wesentlich zur Schönheit der Turm-
silhouette beitragen. (S. Abb. S. 81.) Zwischen den
Eundbogen der kleinen Fenstergruppe und dem Gesims
als Zwickelfüllungen tiefsinnig anmutende Masken, wel-
che auf die Lust der Deutschen, die Geheimnisse der
Naturgewalten zu ergründen, hinweisen — im ganzen
genommen, ein viel sagender, in charakteristischer
Schönheit ausklingender Eeichtum, der festlich und
groß das Gemüt berührt. Und groß, mächtig und feier-
lich wirkt auch der gesamte Bau.

Eines Meisters Wille hat den Formen und ihrem
Schmuck den charakteristischen Stempel aufgedrückt.
Man fühlt, wie dieser Wille einheitlich die Baumasse
durchdringt, wie er maßgebend für die Künstler ge-
wesen ist, die den ornamentalen und statuarischen

Schmuck modellirt, und für die Steinmetzen, die ihn
gemeißelt. Wie die einzelnen Bestandteile des archi-
tektonischen Gerüstes und die Profile energischen Schat-
ten geben, so dass die Glieder auch in der Ferne kraft-
voll wirken und die rhythmische Teilung der Massen
scharf betonen, wie in der Ornamentik und in den Sta-
tuen dasselbe Prinzip energisch hervorgehoben ist, wie
dieser Schmuck, der das Gerüst so herrlich umkleidet,
in gedankenvollster Weise durchgeistigt ist, muss zu
unverhohlener Bewunderung hinreißen. Das Ornament
feiert in diesen Fronten — und ganz dasselbe gilt von
jenem des Innern — geradezu eine Wiedergeburt. Nicht
der hohle Schwall abgestandener Motive, nicht das bis
zum Überdruss ausgebeutete Akanthusornament macht sich
breit, sondern ein neues und überraschendes bietet sich dar.
In der genialen Verwertung der Krone als Schmuckmotiv,
die besonders in ihrer horizontalen Stilisirung an den
Wappenschilden der Bundesstaaten und in ihrer ring-
förmigen, mit dem Hauptkörper eng verknüpfenden Um-
fassung der Konsole über den Bisalitfenstern der Ost-,
Nord- und Südfront zu erkennen ist, in der freien Ver-
 
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