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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

DOI Artikel:
Buss, Georg: Das Haus des deutschen Reichstages, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0119

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DAS HAUS DES DEUTSCHEN EEICHSTAGES.

Städtewappen aus der Attika der Wandelhalle.
Modellirt von Professor 0. Lessing.

sprudelnde Erfindungskraft Wallot's, das hervorragende
Können A. Vogels, der den gesamten Schmuck dieser
Südvorhalle modellirt hat,, und die Meißelarbeit der Stein-
metzen feiern hier ihren höchsten Triumph.

Unsere Abbildungen geben von dem meisterlichen
Aufbau, dem figuralen und ornamentalen Reichtum dieser
Portale eine bessere Vorstellung, als sie durch Worte
zu erzielen ist. Das Preußische Portal ist ernst und
gemessener, das Bayrische milder und weicher aufgefasst:
hier ist der erwärmende Geist der Kunst und der
Wissenschaft, dort der kältere der Staatsraison und der
militärischen Kraft betont. Über dem Preußischen
Portal steigt als hoch ragende Krönung, die ihren Ab-
schluss in der Kaiserkrone findet, das Wappenschild mit
dem preußischen Aar empor, flankirt von den wilden,
mit Keulen bewehrten Männern, zwischen deren Füßen

die aus den Voluten des Schildes wuchtig hervorquellen-
den frucht- und blütenreichen Guirlanden lagern. Vor
dem Wappenschilde thront hoheitsvoll und gebietend die
stolze, reichgewandete Gestalt der Borussia, ideal empor-
blickend, mit der Rechten das gekrönte Fascesbündel fest
auf den Schenkel stützend und den einen Fuß energisch
vorgesetzt auf den als Konsol ausgebildeten behelmten
Kolossalkopf des Mars. Zu beiden Seiten der in glatter
Fläche gehaltenen Eichenholzthür, die auf jedem ihrer
beiden Flügel nur oben einen dezenten Schmuck mit
Wappenschild und Löwenkopf erhalten hat, stehen die
hohen, von faltenreichen Gewändern umflossenen, charak-
teristisches Leben atmenden Gestalten der „Staatsklug-
heit" und der „Stärke" auf gedrungenen Säulen, aus
deren Kapitell sich ein nach unten fallender reizvoller
Behang mit Bändern und Schnüren, diese in Quasten aus-
laufend, entwickelt. Über dem Bayrischen Portal wird der
von der Königskrone gekrönte Wappenschild, der mit dem
Eautenschilde belegt ist, von aufgerichteten Löwen mit
mächtigen Pranken gehalten. Auch hier die prächtigen
Frucht- und Blütenschnüre. Und vor dem Schilde die lieb-
liche Gestalt der Bavaria, wie von lichtem, freundlichem
Glänze umflossen, mit der Linken ein gemeißeltes Kunst-
werk umfassend und mit der Rechten gütig den Lorbeer
spendend, indem sie sich willkommend nach vorn beugt.
Zu den Füßen dieser poesievollen, von warmem Leben er-
füllten Figur ragt mit reich geschmücktem Helm der
sinnend blickende Kopf der Athene hervor. An den
Seiten der Thüre stehen auf den Säulen die Gestalten
der Eintracht und Gerechtigkeit, zwei von lichter Schön-
heit übergossene Frauenfiguren, deren Wesen durch
Haltung, Ausdruck und Embleme nicht minder scharf
gekennzeichnet ist, wie das ihrer Schwestern am
Preußischen Portal. Erhöht wird der packende Eindruck
dieses trefflichen Meißelwerkes, wie überhaupt der ganzen
Vorhalle durch das herrliche Sandsteinmaterial, ein
aus Bayerfeld in der bayerischen Rheinpfalz stammen-
des Material, das einen leisen seladonfarbigen Anflug
besitzt.

Die Nordvorhalle ist in Bezug auf ihre Gestaltung
wesentlich bedingt durch die Bestimmung, als Zufahrt
zu den Höfen zu dienen. Aus diesem Grunde ist auch
an Stelle der Treppe, wie sie die Südvorhalle besitzt,
eine Unterfahrt mit vorgelegtem Giebelportal gebaut.
Dass oberhalb der Unterfahrt eine Querhalle liegt, deutet
die hinter dem Giebelvorbau sich hinziehende Balustrade
an. Der in die Vorhalle Eintretende findet sich dieser
Architektur gegenüber. Bannend ist der Schmuck, der
sich darbietet. Aus dem Giebel des rundbogigen Por-
tals reckt sich das mit Guirlanden bekränzte glückhafte
Schiff des Reiches, am Bug mit Löwenkopf und edler
Idealgestalt geschmückt, kräftig hervor, und oben auf
den geneigten Giebelflächen lagern als malerisch wirkende
Krönung in unverhüllter Leibesschönheit zwei Frauen-
gestalten, die hoch die Kaiserkrone emporhalten. Von
 
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