94
DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.
Supraporte in der Eotunde der Wandelhalle. Modellirt von
Professor 0. Lessing.
durch das Frontfenster der Vorhalle eindringenden Licht
zn verbinden und den Stein samt seinem Meißelwerk
in klarem Weiß erscheinen zu lassen, scharf den Kern-
schatten der Glieder und Profile markirend. Wer über
die Balustrade der Querhalle in diese Vorhalle hinab-
schaut, wird sich der kl assisch-schönen Wirkung der in
volles Licht getauchten Architektur freudig bewusst
werden.
Zur Westfront am Königsplatz lenken sich nun die
Schritte. Die breite Freitreppe hinauf, zwischen den
ragenden Säulen des Giebelvorbaues hindurch, führt der
Weg zum Haupt- und Festportal. Die hohe, schlichte
und doch so edel berührende hellbraune Eichenholzpforte
öfihet sich, ein kurzes Präludium, und groß, weit und
machtvoll liegt da die Eotunde, eine achtseitige,
mit flacher Kuppel überspannte Festhalle, der
stolze Mittelraum der nach beiden Seiten sich
hinstreckenden großen Wandelhalle, — insge-
samt eine Perspektive zwischen hochragenden,
weiß schimmernden Säulen von grandioser,
wahrhaft weihevoller Macht! Die Erhabenheit
des Baumes ergreift wie in einem Münster,
nur dass nicht mystisches Dunkel waltet, son-
dern siegreiches Licht. Eine Stätte ist hier ge-
schaffen, in der die Nation Großes, Schönes
und Bedeutungsvolles, das sich in ihrem Ge-
schick abgespielt, würdig zu feiern vermag. Aus
diesem Gedanken ist die große Wandelhalle ge-
schaffen. Längs den an der Front am Königs-
platz gelegenen Bäumen, aus denen als die be-
deutendsten der große Erfrischungssaal und der
Lesesaal hervorragen, zieht sie sich in einer
Gesamtlänge von 96 Meter von einem Haupt-
treppenhause zum andern hin. An ihrer östlichen
Langseite begleitet sie, unterbrochen von der
Eotunde, eine durch Arkaden geöffnete Seiten-
halle, deren Fenster an den Westfronten der
beiden Höfe liegen. Mit dieser Seitenhalle
misst ihre Breite 14 Meter. Dreiviertel-Säulen,
vor die Pfeiler der glatten Wand gestellt und
mit ihren glatten, elastisch geschwellten Stäm-
men mächtig emporstrebend, tragen in der
Haupthalle das scharf gegliederte Gebälk und
die Attika, über die sich weitflächig und be-
deutend das Tonnengewölbe spannt. Säulen-
getragene Brücken, wichtige Verbindungsglieder
zwischen den Bäumen des Obergeschosses, auf
deren Balustraden kolossale, von Widemann
modellirte, aus istrischem Kalkstein gemeißelte
Sphinxe mit heroischer Gebärde thronen, Szep-
ter tragend und reich geschmückte Wappen-
kartuschen energisch an sich pressend, geben
der Halle an ihren fernen Enden einen idealen
Abschluss säulengetragene, dereinst mit Sta-
tuen zu schmückende Brücken einen solchen
Abschluss auch ihrem Mittelraume, der im Durchmesser
23,37 Meter weiten und 25,74 Meter hohen Eotunde.
Durch diese ist eine glücklich wirkende, raumbeherr-
schende Dreiteilung in der Länge der Halle erzielt, die
auch für den Schmuck von wesentlichster Bedeutung ist.
Die figurale und ornamentale Dekoration, die fast
ausschließlich Lessing modellirt hat, ist wieder aus tiefem
Gedankenreichtume geboren. Und jedes dieser schmücken-
den Werke, jede Gruppe, jedes Ornament in fein ab-
gewogenem Größenverhältnis zum Ganzen und an der
rechten und wirkungsvollsten Stelle! So fügt sich
harmonisch in die stolze Architektur die Fülle des vom
Bildhauer Geschaffenen. Es weist auf Kaiser und Eeich,
auf Herrscherwürde, auf die großen sittlichen Faktoren,
DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.
Supraporte in der Eotunde der Wandelhalle. Modellirt von
Professor 0. Lessing.
durch das Frontfenster der Vorhalle eindringenden Licht
zn verbinden und den Stein samt seinem Meißelwerk
in klarem Weiß erscheinen zu lassen, scharf den Kern-
schatten der Glieder und Profile markirend. Wer über
die Balustrade der Querhalle in diese Vorhalle hinab-
schaut, wird sich der kl assisch-schönen Wirkung der in
volles Licht getauchten Architektur freudig bewusst
werden.
Zur Westfront am Königsplatz lenken sich nun die
Schritte. Die breite Freitreppe hinauf, zwischen den
ragenden Säulen des Giebelvorbaues hindurch, führt der
Weg zum Haupt- und Festportal. Die hohe, schlichte
und doch so edel berührende hellbraune Eichenholzpforte
öfihet sich, ein kurzes Präludium, und groß, weit und
machtvoll liegt da die Eotunde, eine achtseitige,
mit flacher Kuppel überspannte Festhalle, der
stolze Mittelraum der nach beiden Seiten sich
hinstreckenden großen Wandelhalle, — insge-
samt eine Perspektive zwischen hochragenden,
weiß schimmernden Säulen von grandioser,
wahrhaft weihevoller Macht! Die Erhabenheit
des Baumes ergreift wie in einem Münster,
nur dass nicht mystisches Dunkel waltet, son-
dern siegreiches Licht. Eine Stätte ist hier ge-
schaffen, in der die Nation Großes, Schönes
und Bedeutungsvolles, das sich in ihrem Ge-
schick abgespielt, würdig zu feiern vermag. Aus
diesem Gedanken ist die große Wandelhalle ge-
schaffen. Längs den an der Front am Königs-
platz gelegenen Bäumen, aus denen als die be-
deutendsten der große Erfrischungssaal und der
Lesesaal hervorragen, zieht sie sich in einer
Gesamtlänge von 96 Meter von einem Haupt-
treppenhause zum andern hin. An ihrer östlichen
Langseite begleitet sie, unterbrochen von der
Eotunde, eine durch Arkaden geöffnete Seiten-
halle, deren Fenster an den Westfronten der
beiden Höfe liegen. Mit dieser Seitenhalle
misst ihre Breite 14 Meter. Dreiviertel-Säulen,
vor die Pfeiler der glatten Wand gestellt und
mit ihren glatten, elastisch geschwellten Stäm-
men mächtig emporstrebend, tragen in der
Haupthalle das scharf gegliederte Gebälk und
die Attika, über die sich weitflächig und be-
deutend das Tonnengewölbe spannt. Säulen-
getragene Brücken, wichtige Verbindungsglieder
zwischen den Bäumen des Obergeschosses, auf
deren Balustraden kolossale, von Widemann
modellirte, aus istrischem Kalkstein gemeißelte
Sphinxe mit heroischer Gebärde thronen, Szep-
ter tragend und reich geschmückte Wappen-
kartuschen energisch an sich pressend, geben
der Halle an ihren fernen Enden einen idealen
Abschluss säulengetragene, dereinst mit Sta-
tuen zu schmückende Brücken einen solchen
Abschluss auch ihrem Mittelraume, der im Durchmesser
23,37 Meter weiten und 25,74 Meter hohen Eotunde.
Durch diese ist eine glücklich wirkende, raumbeherr-
schende Dreiteilung in der Länge der Halle erzielt, die
auch für den Schmuck von wesentlichster Bedeutung ist.
Die figurale und ornamentale Dekoration, die fast
ausschließlich Lessing modellirt hat, ist wieder aus tiefem
Gedankenreichtume geboren. Und jedes dieser schmücken-
den Werke, jede Gruppe, jedes Ornament in fein ab-
gewogenem Größenverhältnis zum Ganzen und an der
rechten und wirkungsvollsten Stelle! So fügt sich
harmonisch in die stolze Architektur die Fülle des vom
Bildhauer Geschaffenen. Es weist auf Kaiser und Eeich,
auf Herrscherwürde, auf die großen sittlichen Faktoren,