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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

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Buss, Georg: Das Haus des deutschen Reichstages, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0140

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DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES

Fries und Medaillon (s. unten) in der Wandelhalle (Königreich Bayern). Modellirt von Prof. 0. Lessing, Berlin.

eigenen Durst und den seiner Kollegen zu stillen. Um
so wertvoller sind daher die Erfrischungsräume in einem
Parlament. Unter „Erfrischung" versteht jeder echte
Deutsche die Befeuchtung der Kehle mit einem guten
Trunk. Selbstverständlich ist mit diesem Trunk nicht
Wasser gemeint. Schon die alten Deutschen waren
Verächter des Wassers, und Walter von der Vogel-
weide spottet über den wässerigen Labetrunk, den ihm
der geizige Abt von Tegernsee vorgesetzt:
„ich natu da wazzer,

also nazzer
nruost ich von des munchs
tische scheiden."
Auch der ehrenfeste Fisch-
art mochte das Wasser
nicht leiden und bekennt
offenherzig:
„die liebste Buhle, die ich

han,
sie liegt beim Wirth im

Keller,
sie hat ein hölzern Röck-
lein an
und heißt der Muska-
teller".
Alan erzählt, dass viele

unserer Volksvertreter
gleichfalls in eine solche
Buhle mit hölzernem Röck-
lein verliebt seien, und
zwar verliebt bis über
die Ohren! Meister Wal-
lot hat diesen Liebschaf-
ten in ausgedehntestem
Maße Rechnung getragen
und der Erfrischungsoase
seine besondere Fürsorge
gewidmet.

Zwei unter sich ver-
bundene Säle in bevorzug-

ter Lage und charakteristischer Ausstattung sind als Opfer-
stätten für den Gambrinus und Bacchus bestimmt. Der
erste Saal, ein langgestreckter Raum von 28,86 m
Länge and 9,47 m Breite, ist durch fünf jener bereits
erwähnten Polisanderthüren zugänglich, die in den Inter-
kolumnien an der Westseite der großen Wandelhalle
südlich der Rotunde liegen. Den fünf Thüren entsprechen
ebensoviele Rundbogenfenster mit Einstellungen, welche
auf Plattformen führen, die zwischen den Sockeln der
Dreiviertelsäulen in der Front am Königsplatze liegen.
Das Bestreben lag vor, dem Saale das zu monumentaler
Wirkung erhobene, besonders in Süddeutschland zu

schönster Entwickelung
gelangte Gepräge einer
echten und rechten Bräu-
halle zu geben. Ein be-
maltes Tonnengewölbe
überspannt ihn, und hohe
■ Vertäfelung in hellbrau-
nem Eichenholz, die bis
zur Kämpferlinie des Ge-
wölbes reicht, bekleidet
seine Wandflächen. Mit
Eichenholz sind auch die
Innenflächen der in ihren
obersten Füllungen reich
geschnitzten Thüren be-
legt. Vor der nördlichen

Schmalseite steht das
mächtige Eichenholzbüffet
mit seinen Karyatiden,
Nischen, Aufsätzen und
den zu beiden Seiten des
Büffettisches befindlichen
Traillenthüren, deren Be-
krönungen von geflügel-
ten Drachen und reizvol-
len Putten, den Lenkern
 
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