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GMUNDER FILIGRAN.
der besten Benaissancezeit. Darin linden wir die Er-
klärung, dass der schönste Bucheinband für die Fa-
milie Dehler gefertigt, mit seinen klaren Kenaissance-
linien aus dem Jahre 1797 stammt. Dem Empirestil
konnte sich die Filigranarbeit besser anschmiegen, doch
kommt er auch nur zum Ausdruck
durch leichtere Zeichnung, länger ge-
zogene Voluten und gerade einfache
Konturen. Unter den Arbeiten haben
wir zwei Arten von Filigran zu unter-
scheiden, die bessere Filigranarbeit,
welche nach der Arbeit oder Facon
bezahlt wurde, und die geringere,
welche, nach dem Gewicht bezahlt
in den Handel kam. An der Gewichts-
ware waren die Zeitumstände und
auch großenteils die sich stark Kon-
kurrenz machende Kaufmannschaft
schuld. Welchen Druck letztere auf
die Filigranarbeiter ausübte, erfahren
wir aus einer Bestellung eines jetzt
noch angesehenen Kaufhauses: „Ich
gebe Dir 20 Mark Kronenthaler und
Du lieferst mir dafür 20 Mark
Silberfiligran." Bei solchen Zustän-
den konnte nur noch durch minder-
wertiges Silber einiger Verdienst
erzielt werden, was zur Diskrediti-
rung des Gmünder Silbers wieder
viel beitrug. Dichtete doch selbst
Goethe in seinen Invek-
tiven über Kotzebue im
Jahre 1817 den Beim:
„Bist Du Gmündisches
Silber, so fürchte den
schwarzen Probier-
stein!"
Nach den Freiheits-
kriegen wurde aller-
dings auch in Gold
nicht im besten Wert-
gehalte gearbeitet, man
munkelt sogar von 6-
und 4-kar. Golde.
Doch war dies zu damaliger Zeit in der ganzen
Welt nicht anders und stand im Verhältnis zur Kauf-
kraft des konsumirenden Publikums. Diese geringe
Fabrikationsart des Goldes dauerte aber nicht lauge an
und war nicht so bedeutend, um die Fabrikate einer
ganzen Stadt in allgemeinen Misskredit zu bringen.
Fig. 6. Kelch in der Kirche St. Peter am Platz in Wien.
Durch seine gediegene Arbeit verschaffte sich
unser Gmünder Filigran seine Ehrenrettung selbst;
wenn auch geringwertig im Silber, seine Zeichnung
und Ausarbeitung verlor nie an gutem Geschmacke.
Wieviel Gmünder Filigran wird gegenwärtig in den
Antiquitätenläden als angebliche
Arbeiten aus der besten Benais-
sancezeit verkauft, ohne dass der
Käufer eine Ahnung hat, dass sein
Silberfund Gmünder Arbeit ist. Die
Filigranarbeiten des Nordens, Vene-
digs, Südtirols haben sich einen guten
Namen erworben. Von Gmünder Fili-
gran spricht niemand. Daran sind
wohl die Händler schuld, welche den
Ursprungsort verheimlichen wollten.
Heutzutage werden 3 Arten von
Fiügranwaren in Gmünd verfertigt,
die gute Fagonware, die Gewichts-
ware und die Maschinenfiligranware,
letztere wird nur in unechtem Me-
tall durch Prägen und Durchstoßen
hergestellt.
Nur noch wenige ältere Ge-
schäfte Gmünds pflegen die Fili-
granfabrikation, sie verfertigen noch
vielfach die nämlichen Muster, wie
in früheren Zeiten. Die Filigran-
technik wird von ihnen noch so
schön gehandhabt, wie ehemals.
Im modernen Gewände
könnte diese Industrie
wieder neues Leben
bekommen, die Ware
würde gewiss gute
Käufer finden. Hoffen
wir, dass dieser edle
Zweig des Bijouterie-
faches bald neu auf-
blühe und sich auf
dem Weltmarkte in
seinem alten Glänze be-
merkbar mache, denn
bei den ältesten Kul-
turvölkern finden wir schon Filigranarbeit, die nach-
folgenden Geschlechter haben Filigran in allen Kultur-
perioden wieder verwendet. Filigran | wird bestehen,
so lange die Menschheit sich schmückt.
PAUL ERHARD.
GMUNDER FILIGRAN.
der besten Benaissancezeit. Darin linden wir die Er-
klärung, dass der schönste Bucheinband für die Fa-
milie Dehler gefertigt, mit seinen klaren Kenaissance-
linien aus dem Jahre 1797 stammt. Dem Empirestil
konnte sich die Filigranarbeit besser anschmiegen, doch
kommt er auch nur zum Ausdruck
durch leichtere Zeichnung, länger ge-
zogene Voluten und gerade einfache
Konturen. Unter den Arbeiten haben
wir zwei Arten von Filigran zu unter-
scheiden, die bessere Filigranarbeit,
welche nach der Arbeit oder Facon
bezahlt wurde, und die geringere,
welche, nach dem Gewicht bezahlt
in den Handel kam. An der Gewichts-
ware waren die Zeitumstände und
auch großenteils die sich stark Kon-
kurrenz machende Kaufmannschaft
schuld. Welchen Druck letztere auf
die Filigranarbeiter ausübte, erfahren
wir aus einer Bestellung eines jetzt
noch angesehenen Kaufhauses: „Ich
gebe Dir 20 Mark Kronenthaler und
Du lieferst mir dafür 20 Mark
Silberfiligran." Bei solchen Zustän-
den konnte nur noch durch minder-
wertiges Silber einiger Verdienst
erzielt werden, was zur Diskrediti-
rung des Gmünder Silbers wieder
viel beitrug. Dichtete doch selbst
Goethe in seinen Invek-
tiven über Kotzebue im
Jahre 1817 den Beim:
„Bist Du Gmündisches
Silber, so fürchte den
schwarzen Probier-
stein!"
Nach den Freiheits-
kriegen wurde aller-
dings auch in Gold
nicht im besten Wert-
gehalte gearbeitet, man
munkelt sogar von 6-
und 4-kar. Golde.
Doch war dies zu damaliger Zeit in der ganzen
Welt nicht anders und stand im Verhältnis zur Kauf-
kraft des konsumirenden Publikums. Diese geringe
Fabrikationsart des Goldes dauerte aber nicht lauge an
und war nicht so bedeutend, um die Fabrikate einer
ganzen Stadt in allgemeinen Misskredit zu bringen.
Fig. 6. Kelch in der Kirche St. Peter am Platz in Wien.
Durch seine gediegene Arbeit verschaffte sich
unser Gmünder Filigran seine Ehrenrettung selbst;
wenn auch geringwertig im Silber, seine Zeichnung
und Ausarbeitung verlor nie an gutem Geschmacke.
Wieviel Gmünder Filigran wird gegenwärtig in den
Antiquitätenläden als angebliche
Arbeiten aus der besten Benais-
sancezeit verkauft, ohne dass der
Käufer eine Ahnung hat, dass sein
Silberfund Gmünder Arbeit ist. Die
Filigranarbeiten des Nordens, Vene-
digs, Südtirols haben sich einen guten
Namen erworben. Von Gmünder Fili-
gran spricht niemand. Daran sind
wohl die Händler schuld, welche den
Ursprungsort verheimlichen wollten.
Heutzutage werden 3 Arten von
Fiügranwaren in Gmünd verfertigt,
die gute Fagonware, die Gewichts-
ware und die Maschinenfiligranware,
letztere wird nur in unechtem Me-
tall durch Prägen und Durchstoßen
hergestellt.
Nur noch wenige ältere Ge-
schäfte Gmünds pflegen die Fili-
granfabrikation, sie verfertigen noch
vielfach die nämlichen Muster, wie
in früheren Zeiten. Die Filigran-
technik wird von ihnen noch so
schön gehandhabt, wie ehemals.
Im modernen Gewände
könnte diese Industrie
wieder neues Leben
bekommen, die Ware
würde gewiss gute
Käufer finden. Hoffen
wir, dass dieser edle
Zweig des Bijouterie-
faches bald neu auf-
blühe und sich auf
dem Weltmarkte in
seinem alten Glänze be-
merkbar mache, denn
bei den ältesten Kul-
turvölkern finden wir schon Filigranarbeit, die nach-
folgenden Geschlechter haben Filigran in allen Kultur-
perioden wieder verwendet. Filigran | wird bestehen,
so lange die Menschheit sich schmückt.
PAUL ERHARD.