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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

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Groth, Ernst: Das Kunstgewerbe als Nährquelle für das Handwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0187

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DAS KUNSTGEWERBE ALS NÄHRQUELLE FÜR DAS HANDWERK.

151

Aus der Kunst sog das Handwerk beständig neue
Kräfte, aber zur dauernden Blüte gehören eine friedliche
Zeit, kunstsinnige Fürsten, eine wohlhabende, national
gebildete und kunstfrohe Bürgerschaft. Diese drei Be-
dingungen schwanden mit den Keligionskriegen dahin.
Der Dreißigjährige Krieg verwandelte den größten Teil
Deutschlands in eine Trümmerstätte. Der Wohlstand
war dahingegangen. Kunstvoll gearbeitete Gebrauchs-
gegenstände fanden keine Abnehmer. Die Handwerker
fingen an, die alten Überlieferungen, Fertigkeiten und
Muster zu vergessen. Die Kluft zwischen dem Künstler
und dem Handwerker war da. Beide Stände schieden
sich nun von einander etwa so stark, wie damals der
dem Deutschtum abholde Gelehrtenstand von dem deutschen
Volke selbst.

„Die ganze Zeit bis in unser Jahrhundert hinein",
sagt Georg Hirth in seinem Werke „Das deutsche
Zimmer", „litt an chronischer Schwindsucht der künst-
lerischen Dekoration, komplizirt durch Atrophie der kunst-
gewerblichen Technik." (S. 46.)

Die Kunst hatte am Ende des vorigen und am An-
fang des 19. Jahrhunderts aufgehört, für das deutsche
Handwerk eine Nährquelle zu sein. Erst als Schinkel
für die innere Ausstattung seiner Bauten die künstlerische

Fertigkeit der Tischler, Schlosser, Tapezirer, Töpfer, der
Modelleure und Stuccateure notwendig brauchte und
die völlige Unfähigkeit der Handwerksmeister erkannte,
seinen Ideen zu folgen, strebte er mit allen Mitteln dahin,
das Handwerk wieder zu heben und der Kunst zu nähern.
Mit Beuth, dem Begründer des Berliner Gewerbeinstituts,
gab Schinkel in den Jahren 1821—30 eine Sammlung
von Vorbildern für Fabrikanten und Handwerker heraus
und im Vorwort zu diesem Werke wird hervorgehoben,
wie notwendig es sei, dass in den Werkstätten nicht
nur nach technischer Vollendung, sondern auch wieder
nach Formenschönheit gestrebt werde. Denn nur eine
Ausführung, die beides vereinige, nähere die Arbeit des
Handwerkers dem Kunstwerke und gebe ihr einen bleiben-
deren Wert, als die Kostbarkeit des Materials, woraus
es gefertigt sei.

Schinkels Anregungen blieben damals seltsamerweise
ohne Einfluss auf die Entwickelung des deutschen Hand-
werks, und erst Jahrzehnte nach seinem Tode fanden
seine Entwürfe für Geräte und Gefäße, Decken- und
Wanddekorationen, für Malerei und Stickerei, Eisen- und
Bronzeguss die erste Würdigung. Schinkels wohlthätiger
Einfluss beschränkte sich auf Berlin. Aber auch in
Dresden sollte sich bald die Erkenntnis Bahn brechen,



Terrine aus der Königlichen Porzellanmanufaktur in Meißen.
 
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