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DAS KUNSTGEWERBE ALS NÄHRQUELLE FÜR DAS HANDWERK.
werden kann. Eine solche Verwendung
der Kartusche, als freistehender Zierat
z. B. am neuen Reichsgericht, ist stil-
widrig.
Auf die Balustrade des flachen
Daches gehören keine Eeliefs hin son-
dern statuarische Bildwerke, Vasen, Ur-
nen, Figuren, Obelisken u. s. w. Der
konstruktive Zweck einer Balustrade
ist aber der, den Abschluss einer Ter-
rasse, eines flachen Daches zu bilden;
ist sie vor ein hohes Dach gestellt, so
kann sie effektvoll sein, aber stilgerecht
ist sie nicht.
Also das Ornament hat sich dem
Charakter und der Gliederung des zu
schmückenden Gegenstandes unterzu-
ordnen. Es soll die konstruktiv wich-
tigen Teile sinngemäß verdeutlichen,
hervorheben, aber sie nicht verhüllen,
verdecken, überwuchern oder durch-
brechen. Die natürliche Gliederung
einer Fassade sind die Stockwerke. Der-
natürliche Spielraum des Ornaments
liegt also innerhalb der einzelnen Stock-
werke. Ihre horizontalen Grenzen
dürfen daher nicht durchbrochen oder
zerrissen werden, wie das in der Spät-
renaissance durch lange, über zwei
Stockwerke laufende vertikale Pilaster
oder Lisenen geschehen ist, und an
vielen Bauwerken auch jetzt noch ge-
schieht. Hier verdeckt und fälscht das
Ornament thatsächlich die konstruktive
Form; denn die das Stockwerk bezeich-
nende natürliche, horizontale Linie ver-
schwindet vor dem Effekt der künst-
lichen Vertikalen des Ornaments.
Das Ornament muss sich dem
Zweck des Gegenstandes unterordnen.
Es ist stilwidrig, manierirt, an einem
Gefäß dort einen Zierat, eine Malerei
anzubringen, wo z. B. die Speisen zu
liegen kommen. Bei Wandtellern, die
als Schmuck dienen, mag die ganze
Fläche bemalt werden, bei einem Sup-
penteller darf aber das Ornament nicht
auf dem Boden oder dem Grunde an-
gebracht sein; es gehört einzig und
allein an den Rand. Der Band ist für
Schüsseln, Tellern u. s. w. der natür-
liche, stilgerechte Spielraum für die
Verzierung. Dass unsere Kunsttöpfer
und Porzellanmaler gegen diese ein-
fachen Gesetze jetzt ganz besonders
Jagdbecher. Entworfen und ausgeführt von Prof. R. Mayer in Karlsruhe.
DAS KUNSTGEWERBE ALS NÄHRQUELLE FÜR DAS HANDWERK.
werden kann. Eine solche Verwendung
der Kartusche, als freistehender Zierat
z. B. am neuen Reichsgericht, ist stil-
widrig.
Auf die Balustrade des flachen
Daches gehören keine Eeliefs hin son-
dern statuarische Bildwerke, Vasen, Ur-
nen, Figuren, Obelisken u. s. w. Der
konstruktive Zweck einer Balustrade
ist aber der, den Abschluss einer Ter-
rasse, eines flachen Daches zu bilden;
ist sie vor ein hohes Dach gestellt, so
kann sie effektvoll sein, aber stilgerecht
ist sie nicht.
Also das Ornament hat sich dem
Charakter und der Gliederung des zu
schmückenden Gegenstandes unterzu-
ordnen. Es soll die konstruktiv wich-
tigen Teile sinngemäß verdeutlichen,
hervorheben, aber sie nicht verhüllen,
verdecken, überwuchern oder durch-
brechen. Die natürliche Gliederung
einer Fassade sind die Stockwerke. Der-
natürliche Spielraum des Ornaments
liegt also innerhalb der einzelnen Stock-
werke. Ihre horizontalen Grenzen
dürfen daher nicht durchbrochen oder
zerrissen werden, wie das in der Spät-
renaissance durch lange, über zwei
Stockwerke laufende vertikale Pilaster
oder Lisenen geschehen ist, und an
vielen Bauwerken auch jetzt noch ge-
schieht. Hier verdeckt und fälscht das
Ornament thatsächlich die konstruktive
Form; denn die das Stockwerk bezeich-
nende natürliche, horizontale Linie ver-
schwindet vor dem Effekt der künst-
lichen Vertikalen des Ornaments.
Das Ornament muss sich dem
Zweck des Gegenstandes unterordnen.
Es ist stilwidrig, manierirt, an einem
Gefäß dort einen Zierat, eine Malerei
anzubringen, wo z. B. die Speisen zu
liegen kommen. Bei Wandtellern, die
als Schmuck dienen, mag die ganze
Fläche bemalt werden, bei einem Sup-
penteller darf aber das Ornament nicht
auf dem Boden oder dem Grunde an-
gebracht sein; es gehört einzig und
allein an den Rand. Der Band ist für
Schüsseln, Tellern u. s. w. der natür-
liche, stilgerechte Spielraum für die
Verzierung. Dass unsere Kunsttöpfer
und Porzellanmaler gegen diese ein-
fachen Gesetze jetzt ganz besonders
Jagdbecher. Entworfen und ausgeführt von Prof. R. Mayer in Karlsruhe.