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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 6.1895

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Hofmann, Albert: Der kunstgewerbliche Kongress des Jahres 1894 zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.3803#0204

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DER KUNSTGEWERBLICHE KONGRESS DES JAHRES 1894 ZU PARIS.

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Konsol in den Wandelgängen des Reichstagsgebäudes.

aber erschöpfende Andeutungen geben. Dieser Beschluss
zielt auf die in der weitaus größten Hehrzahl der Fälle
noch vom Dilettantismus geleiteten Provinzial-Museen.
Beschlüsse, welche unter dem bekannten französischen
Metallarbeiter L. Falize gefasst wurden, haben den künst-
lerischen Unterricht zum Gegenstand. Falize fordert,
dass nach dem Studium der klassischen alten Kunst
und nach einem -vergleichenden Studium der fremden
Stilarten der Unterricht wieder zu den vollkommensten
Typen der nationalen Kunst zurückleiten solle, um die
Traditionen des guten französischen Geschmacks zu er-
neuern. Diese Forderung stellt sich also in einen ge-
wissen Gegensatz zu den Klagen über die Nachahmung
der Stile, über die wir weiter oben berichten konnten.
Falize ist der Ansicht, dass ein Studium des historischen
französischen Geschmacks sich für jeden Grad der
künstlerischen Ausbildung eigne; von den einfachen Zeichen-
schulen (ecoles de dessin) bis zu den Ateliers hervor-
ragender Meister des Kunstgewerbes sei es zu üben;
ja in manchen Fällen wird es erwünscht sein, dass sich
die Chefs kunstindustrieller Häuser selbst mit einem
solchen Studium befassen, damit sie in der Lage sind,

auf ihren Kundenkreis entsprechend einzuwirken. Er
fordert in seinem Antrage, man solle Kurse einrichten,
in denen in folgerichtiger und methodischer Weise die
praktischen Grundzüge der Komposition nach dekorativen
Gesichtspunkten gelehrt und ihre Anwendung auf die
Kunstiudustrie gezeigt werde. In dieser Beziehung wird
lebhaft bedauert, dass der für das Conservatoire des arts
et metiers beschlossene Lehrstuhl für angewandte Kunst
noch nicht eingerichtet ist.

Auch Roty, der ausgezeichnete Medailleur der von
seiner geschickten Hand stammenden, vor kurzem er-
worbenen schönen Medaillensammlung des Kunstgewerbe-
Museums in Berlin, hat sich an den Beratungen des Kon-
gresses durch Anträge beteiligt. Sie lauten: In Er-
wägung, dass als eine der Ursachen, welche sich den
Vertretern der dekorativen Künste beim Schaffen neuer
Werke ergeben haben, die Unmöglichkeit bezeichnet wer-
den muss, bei dem gegenwärtigen Geschmackszustand des
Publikums geschlossene dekorative Gruppen machen zu
können; dass die Initiative des Staates derart sein sollte,
dass die Möglichkeit, neue Kunstwerke zu schaffen, er-
leichtert würde; in Erwägung ferner, dass die Staats-
gebäude mit Möbeln oder Gegenständen der dekorativen
Kunst angefüllt sind, die oft weder Stil noch Wert oder
einen ihrer Bestimmung entsprechend viel zu hohen
Wert haben und im übrigen sehr oft Gruppen bilden,
welchen die künstlerische Harmonie mangelt, drückt
der Kongress den Wunsch aus, es möge eine besondere
Summe in das Budget der schönen Künste eingestellt
werden, welche zur Dekoration eines oder mehrerer Säle
in den Staatsgebäuden verwendet werde. Ein verwandter
Vorgang ist aus Berlin zu verzeichnen, nach welchem
die künstlerische Ausstattung des im Bau begriffenen
neuen preussischen Abgeordnetenhauses von Schülern
des Kunstgewerbe-Museums ausgeführt werden soll, denen

Konsol in der Wandelhalle des Reichstagsgebäudes.
Modellirt von Professor 0. Lessing, Berlin.
 
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