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ANTIQUITÄTEN IN DER MODERNEN HAUSEIN RICHTUNG.
nicht ein Marmor - Fragment, eine kleine Bronze, eine
Majolika — echt oder gefälscht — in der Hand ge-
bliehen wäre, so wenig wie man die Bazare von Tunis.
Kairo und Damaskus durchwandern kann, ohne Besitzer
einer alten Pistole, eines Säheis oder buntgestickten
Sattelstückes geworden zu sein. Zu Hause aufgestellt,
sind uns diese Sachen — ohne allzustrenge Kritik ihres
Kunstwertes — liebe Erinnerungsstücke an unsere
glücklichen Wanderjahre.
Ganz besonders reich pflegt der Damensalon mit
Leuchter, in Silber getrieben von Lazarus Posen Wwe, Berlin.
derartigen Zufälligkeiten von mehr oder minder kunst-
gewerblichem Werte ausgestattet zu sein. Unter dem,
was man mangels eines deutschen Wortes „hibelots"
nennt, einen gewissen Bestand alter Kleinkunstwerke zu
haben, gehört auch für eine Dame, die nicht Sammlerin
ist, zum guten Ton. Das beginnt mit den kleinen Spiel-
sachen aus Silberblech oder Filigran, die früher häufig
als Patengeschenke gegeben wurden, steigert sich zu
einem zierlichen Schränkchen voll Altmeißner oder Höchster
Porzellanfiguren und gipfelt in der Sammlung von Mini-
aturen in alten Eähmchen oder dem geschnitzten
Bokoko-Bahmen mit wertvollen alten Fächern,
welche die Wand schmücken. Und was soll man
von dieser spielenden Dekoration des Damen-
zimmers sagen, wenn selbst ein ernster Baum,
wie die Bibliothek, den Schmuck einzelner Werke
alter Kunst nicht entbehren kann — seien es
die würdigen Bronzebüsten mythischer Dichter und
Gelehrten oder seien es einige Barissima von alten
Ausgaben in gleichzeitigen vergoldeten Lederbän-
den, die auf den Tischen ausliegen.
Eine ungleich wichtigere Bolle spielen natür-
lich die Antiquitäten, wenn wir die Gemächer eines
wirklichen Sammlers betreten. Wir denken dabei
nicht an die Bumpelkammern, wahllos mit altem
Kram bis an die Decke gefüllt, wie sie Walter
Scott so klassisch im „Antiquarian" schildert —
staubige Höhlen, in denen wir keinen freien Stuhl
zum Sitzen, kaum den Baum um uns umzudrehen
finden. — Der vornehme Sammler versteht es
immer, seine Schätze so aufzustellen, dass sie das
harmonische Bild eines wohlgeordneten Interieurs
nicht stören, sondern demselben nur den höchsten,
geistigen Inhalt geben. Nehmen wir beispielsweise
die Schilderung, welche ein französischer Besucher
von der „Halle" im Hotel Salomon v. Bothschild
in Paris giebt: „Die Halle, welche man darauf
betritt, ist ein Baum von weiten Abmessungen
mit Oberlicht, welches in die gewölbte Eisendecke,
lim über dem Fussboden eingefügt ist. Eine
in der Höhe der ersten Etage umlaufende Galerie
hat eine Holzbrüstung, deren Füllungen zwischen
den geschnitzten Ballustern mit vergoldetem Schmie-
deornament ausgesetzt sind. Diese Galerie läuft
um drei Seiten des Baumes; die vierte wird durch
einen Kamin in rosa schottischem Granit einge-
nommen, mit Ornamenten aus ciselirter Bronze
und Zellenschmelz, überragt von einem großen
Spiegel in geschnitztem, italienischem Holzrahmen.
In die Holztäfelung aus amerikanischem Nussholz,
welche die Wände bekleidet, sind Gobelins ein-
gefügt; die Supraporten bilden vergoldete Holz-
skulpturen auf weißem, antikem Marmorgrund. In
der Mitte steht ein riesiges Eundsopha; wir nehmen
Platz: Wenn wir aber nach der Bewunderung
ANTIQUITÄTEN IN DER MODERNEN HAUSEIN RICHTUNG.
nicht ein Marmor - Fragment, eine kleine Bronze, eine
Majolika — echt oder gefälscht — in der Hand ge-
bliehen wäre, so wenig wie man die Bazare von Tunis.
Kairo und Damaskus durchwandern kann, ohne Besitzer
einer alten Pistole, eines Säheis oder buntgestickten
Sattelstückes geworden zu sein. Zu Hause aufgestellt,
sind uns diese Sachen — ohne allzustrenge Kritik ihres
Kunstwertes — liebe Erinnerungsstücke an unsere
glücklichen Wanderjahre.
Ganz besonders reich pflegt der Damensalon mit
Leuchter, in Silber getrieben von Lazarus Posen Wwe, Berlin.
derartigen Zufälligkeiten von mehr oder minder kunst-
gewerblichem Werte ausgestattet zu sein. Unter dem,
was man mangels eines deutschen Wortes „hibelots"
nennt, einen gewissen Bestand alter Kleinkunstwerke zu
haben, gehört auch für eine Dame, die nicht Sammlerin
ist, zum guten Ton. Das beginnt mit den kleinen Spiel-
sachen aus Silberblech oder Filigran, die früher häufig
als Patengeschenke gegeben wurden, steigert sich zu
einem zierlichen Schränkchen voll Altmeißner oder Höchster
Porzellanfiguren und gipfelt in der Sammlung von Mini-
aturen in alten Eähmchen oder dem geschnitzten
Bokoko-Bahmen mit wertvollen alten Fächern,
welche die Wand schmücken. Und was soll man
von dieser spielenden Dekoration des Damen-
zimmers sagen, wenn selbst ein ernster Baum,
wie die Bibliothek, den Schmuck einzelner Werke
alter Kunst nicht entbehren kann — seien es
die würdigen Bronzebüsten mythischer Dichter und
Gelehrten oder seien es einige Barissima von alten
Ausgaben in gleichzeitigen vergoldeten Lederbän-
den, die auf den Tischen ausliegen.
Eine ungleich wichtigere Bolle spielen natür-
lich die Antiquitäten, wenn wir die Gemächer eines
wirklichen Sammlers betreten. Wir denken dabei
nicht an die Bumpelkammern, wahllos mit altem
Kram bis an die Decke gefüllt, wie sie Walter
Scott so klassisch im „Antiquarian" schildert —
staubige Höhlen, in denen wir keinen freien Stuhl
zum Sitzen, kaum den Baum um uns umzudrehen
finden. — Der vornehme Sammler versteht es
immer, seine Schätze so aufzustellen, dass sie das
harmonische Bild eines wohlgeordneten Interieurs
nicht stören, sondern demselben nur den höchsten,
geistigen Inhalt geben. Nehmen wir beispielsweise
die Schilderung, welche ein französischer Besucher
von der „Halle" im Hotel Salomon v. Bothschild
in Paris giebt: „Die Halle, welche man darauf
betritt, ist ein Baum von weiten Abmessungen
mit Oberlicht, welches in die gewölbte Eisendecke,
lim über dem Fussboden eingefügt ist. Eine
in der Höhe der ersten Etage umlaufende Galerie
hat eine Holzbrüstung, deren Füllungen zwischen
den geschnitzten Ballustern mit vergoldetem Schmie-
deornament ausgesetzt sind. Diese Galerie läuft
um drei Seiten des Baumes; die vierte wird durch
einen Kamin in rosa schottischem Granit einge-
nommen, mit Ornamenten aus ciselirter Bronze
und Zellenschmelz, überragt von einem großen
Spiegel in geschnitztem, italienischem Holzrahmen.
In die Holztäfelung aus amerikanischem Nussholz,
welche die Wände bekleidet, sind Gobelins ein-
gefügt; die Supraporten bilden vergoldete Holz-
skulpturen auf weißem, antikem Marmorgrund. In
der Mitte steht ein riesiges Eundsopha; wir nehmen
Platz: Wenn wir aber nach der Bewunderung