FRANZÖSISCHE URTEILE ÜBER DEUTSCHE KUNSTGEWERBESCHULEN.
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Indessen die Strömung war da, und da ein Auf-
halten unmöglich war, musste sich die Industrie ihrer-
seits demokratisiren. Es war für sie einfach eine
Lehensfrage. Wenn sie es aufgah, den neuen Weg zu
betreten, der anderswo auf allen Gebieten der nationalen
Thätigkeit begangen wurde, so war sie nach einiger
Zeit der Not von einem Verfall bedroht, der unheilbar
werden konnte.
Haben die französischen Bijoutiers seiner Zeit
die Umwandlung in den Gewohnheiten zu verstehen ge-
wusst? Sind sie nicht im alten Schlendrian stecken ge-
blieben, statt ihre ganze Operationsweise zu ändern und die
Leitung der Bewegung in die Hand zu
nehmen, indem sie sie in den Traditionen
des französischen Geschmacks zu erhalten
suchten? Haben sie nicht gesucht auf ihrer
Beputation hinzuleben? Haben sie nicht
ihrem künstlerischen Bufe vertraut? Viel-
leicht haben ihnen auch die beständigen Aus-
stellungserfolge die Augen verblendet, so dass
sie sich noch Herren des Marktes glaubten.
Sie bekamen zwar erste Preise, aber die
Erzeugnisse gingen nicht ab. Sie haben
nicht die ganze Tragweite der neuen Methode
begriffen, die von Deutschland und England
geübt wurde; es kam ihnen nicht zum Be-
wusstsein, dass die neue Fabrikationsweise
mit ihren Artikeln in verderblicher Weise
konkurriren würde.
Die durch den Kampf ums Dasein auf-
gestachelten Häuser zweiten Banges opfer-
ten gezwungener Weise Geschmack und Aus-
bildung der Schnelligkeit. Um Arbeitslohn
zu sparen, gaben sie sich nicht mehr die
Mühe, ihren Artikeln jene Vollendung zu
verleihen, die sonst die französische Bijou-
terie auszeichnete.
Ist es nun für uns unmöglich, der
obigen Formel ein drittes Element hinzuzu-
fügen und zu sagen: Schnelle, billige und
gute Arbeit?
Wir glauben es nicht, wir sind über-
zeugt, dass der gegenwärtige kritische Zu-
stand nicht andauern kann; wir empfinden
die Notwendigkeit, nicht müßig zu bleiben,
unsere Industrien nicht gefährden zu lassen.
Die Frage ist gestellt, die Ursachen
des Übels sind bekannt; wo ist die Lösung,
wo das Heilmittel?
Unserer Meinung nach besteht die Lö-
sung zum Teil in der Gründung einer Fach-
schule, aus der Lehrlinge und Arbeiter eine
ausgedehntere und höhere Ausbildung schö-
pfen können, die sie befähigt, die Überlegen-
heit wieder zu gewinnen, die unsere Bivalen
Knustgewerbeblatt. N. F. VI. H. 11.
uns zu entziehen trachten. Die Sache liegt so, dass unsere
Industrien in dieser Schule neue Wege finden werden,
auf denen sie ihren Glanz wieder erneuern und die
ihnen wieder den Vorrang zurückgeben werden.
Die Deutschen beanspruchten nach ihren Erfolgen
während des Krieges von 1870 auch die geistige und
künstlerische Oberherrschaft. Es lässt sich nicht leugnen,
dass die unerwarteten Siege eines Volkes die Aufmerk-
samkeit auf dieses selbst ziehen; allein man braucht
nicht zu glauben, dass, wenn die Deutschen eine große
Gold- und Silber-Industrie zu schaffen im stände waren,
die für uns verhängnisvoll wurde, dies einzig und allein
Weihwasserbecken in Bozen. Aufgenommen von F. Padkert daselbst.
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Indessen die Strömung war da, und da ein Auf-
halten unmöglich war, musste sich die Industrie ihrer-
seits demokratisiren. Es war für sie einfach eine
Lehensfrage. Wenn sie es aufgah, den neuen Weg zu
betreten, der anderswo auf allen Gebieten der nationalen
Thätigkeit begangen wurde, so war sie nach einiger
Zeit der Not von einem Verfall bedroht, der unheilbar
werden konnte.
Haben die französischen Bijoutiers seiner Zeit
die Umwandlung in den Gewohnheiten zu verstehen ge-
wusst? Sind sie nicht im alten Schlendrian stecken ge-
blieben, statt ihre ganze Operationsweise zu ändern und die
Leitung der Bewegung in die Hand zu
nehmen, indem sie sie in den Traditionen
des französischen Geschmacks zu erhalten
suchten? Haben sie nicht gesucht auf ihrer
Beputation hinzuleben? Haben sie nicht
ihrem künstlerischen Bufe vertraut? Viel-
leicht haben ihnen auch die beständigen Aus-
stellungserfolge die Augen verblendet, so dass
sie sich noch Herren des Marktes glaubten.
Sie bekamen zwar erste Preise, aber die
Erzeugnisse gingen nicht ab. Sie haben
nicht die ganze Tragweite der neuen Methode
begriffen, die von Deutschland und England
geübt wurde; es kam ihnen nicht zum Be-
wusstsein, dass die neue Fabrikationsweise
mit ihren Artikeln in verderblicher Weise
konkurriren würde.
Die durch den Kampf ums Dasein auf-
gestachelten Häuser zweiten Banges opfer-
ten gezwungener Weise Geschmack und Aus-
bildung der Schnelligkeit. Um Arbeitslohn
zu sparen, gaben sie sich nicht mehr die
Mühe, ihren Artikeln jene Vollendung zu
verleihen, die sonst die französische Bijou-
terie auszeichnete.
Ist es nun für uns unmöglich, der
obigen Formel ein drittes Element hinzuzu-
fügen und zu sagen: Schnelle, billige und
gute Arbeit?
Wir glauben es nicht, wir sind über-
zeugt, dass der gegenwärtige kritische Zu-
stand nicht andauern kann; wir empfinden
die Notwendigkeit, nicht müßig zu bleiben,
unsere Industrien nicht gefährden zu lassen.
Die Frage ist gestellt, die Ursachen
des Übels sind bekannt; wo ist die Lösung,
wo das Heilmittel?
Unserer Meinung nach besteht die Lö-
sung zum Teil in der Gründung einer Fach-
schule, aus der Lehrlinge und Arbeiter eine
ausgedehntere und höhere Ausbildung schö-
pfen können, die sie befähigt, die Überlegen-
heit wieder zu gewinnen, die unsere Bivalen
Knustgewerbeblatt. N. F. VI. H. 11.
uns zu entziehen trachten. Die Sache liegt so, dass unsere
Industrien in dieser Schule neue Wege finden werden,
auf denen sie ihren Glanz wieder erneuern und die
ihnen wieder den Vorrang zurückgeben werden.
Die Deutschen beanspruchten nach ihren Erfolgen
während des Krieges von 1870 auch die geistige und
künstlerische Oberherrschaft. Es lässt sich nicht leugnen,
dass die unerwarteten Siege eines Volkes die Aufmerk-
samkeit auf dieses selbst ziehen; allein man braucht
nicht zu glauben, dass, wenn die Deutschen eine große
Gold- und Silber-Industrie zu schaffen im stände waren,
die für uns verhängnisvoll wurde, dies einzig und allein
Weihwasserbecken in Bozen. Aufgenommen von F. Padkert daselbst.
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