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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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Otte, Heinrich; Quast, Ferdinand von: Kelch der Kirche zu Werben in der Altmark
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Otte, Heinrich: Die Kanzel im Dom zu Merseburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0082
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74 KELCH DER KIRCHE ZU WERBEN IN DER ALTMARK.

welche der Künstler darin an den Tag legt, dass Moses vor dem feurigen Busch noch ohne
die ihm erst durch die Theophanie auf dem Sinai zu Theil gewordene „facies comuta1' er-
scheint, deren Hörnerschmuek er auf dem Bilde der ehernen Schlange trägt. Ferner heisst
Abraham in der Umschrift seiner Begegnung mit dem Melchisedek noch ABBAM, wird da-
gegen bei der Opferung Isaaks mit dem ihm seit der Beschneidung ertheilten Bundesnamen
ABBAAM benannt. — Widergewöhnlich tragen sämmtliche alttestamentliche Gerechte, die
auf dem Kelche dargestellt sind, mit alleiniger Ausnahme des Gideon, den Heiligenschein
um das Haupt, der sonst nur den neulestamentlichen Heiligen zukommt.

In epigraphischer Beziehung ist die offenbar mit Absicht angebrachte Vermischung
römischer und neugothischer Majuskeln zu bemerken, und das Vorkommen einiger Buch-
staben, welche sich den Formen der eckigen Minuskel nähern: das o in der Umschrift des
Gideon und das i) in dem Namen des Propheten Elias. Einzelne Ungenauigkeiten in der
Sprache und Rechtschreibung deuten auf die mangelhafte Latinität des trefflichen Künstlers.

Otte.

Die Kanzel im Dom zu Merseburg.

Indem wir unseren Lesern die Abbildung einer Kanzel vorlegen, welche der letzten
Ausbildungsstufe der Gothik angehört, gestatten wir uns, bei dieser Gelegenheit einige Be-
merkungen vorauszuschicken über die mit der äusseren Geschichte des Predigtwesens eng
verbundene Archäologie des Predigtstuhls.

In der alten Kirche waren nur Bischöfe und Presbyter zur Ausübung des Predigt-
amles befugt: letztere in bischöflichen Kirchen lediglich im Auftrage und unter Verantwort-
lichkeit des eigentlich allein berechtigten Bischofs. Der Bischof hielt die Predigt vor stehender
Versammlung auf seiner hinter dem Altare im Grunde der Tribüne befindlichen, Stufen-er-
höhten bischöflichen Kathedra sitzend; oder es ward zur Abhaltung der Predigt ein Faltstuhl
auf die Altarstufe hingestellt. — In Behinderungsfällen des Bischofs oder Presbyters waren
die Diaconen mit Vorlesung einer Homilie der Kirchenväter beauftragt und verwalteten über-
haupt unter besonderen Verhältnissen, doch stets nur stellvertretend, das kirchliche Lehramt.
Das Vorlesen einer Predigt durch den Diaconus geschah indess nicht von dem Altare aus,
sondern von einer für die zum Amte des Diaconus gehörigen kirchlichen Vorlesungen be-
stimmten bühnenartigen Erhöhung herab, welche Ambo genannt wurde und an der nörd-
lichen Seitenschranke des Unterchores, die Frontseilen nach Nord und Süd gerichtet, befind-
lich war. Dieser erhöhte und überdies der im Schiffe der Kirche versammelten Gemeine
näher gelegene Standpunkt war für den Zweck der Predigt besser geeignet, und, um sich
leichter verständlich zu machen, hielten schon die Bischöfe Chrysostomus und Augustinus
ihre Homilien von dem Ambo herab, was indess für eine Ausnahme galt.
 
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