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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Beissel, Stephan: Ein illustrirtes Gebetbuch des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0059

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83

1889.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

84

(6, 9, 12 und 3 Uhr heutiger Rechnung), be-
stimmten Tageszeiten, stellte der Maler in
vier weitern Miniaturen die Geburt Christi, die
Erscheinung der Engel bei den Hirten, die An-
betung der Könige und die Opferung im Tempel
dar. Für den Abend bleiben als letzte sog. Tages-
zeiten Vesper und Complet, bei denen wir die
Flucht nach Aegypten, die Krönung Marias im
Himmel, also die Vollendung ihres Lebens finden.

An diese Tages-
zeiten schliefsen sich
die sieben Bufspsal-
men sowie die Li-
tanei von allen Hei-
ligen an. Da David
diese Psalmen ver-
fafste, und da der
Betende in den Psal-
men wie in der
Litanei Verzeihung
der Sünden und ein
gnädiges Gericht er-
fleht, zeigt ihm die
Miniatur im Haupt-
bilde das letzte Ge-
richt, in vier Neben-
scenen aber die Ge-
schichte des könig-
lichen Sängers. Zwei
anscheinend weit
auseinanderliegende
Dinge: Abfassung
und Inhalt der Ge-
bete sind also hier
auf einem Blatt illu-
strirt.

Kleiner als das
Officium B. M. V.
sind die drei fol-
genden Officien zu
Ehren des Leidens Christi und des hl. Geistes
sowie für die Todten. Am Eingang des ersten
zeigt die Miniatur als Hauptscene die Kreu-
zigung, daneben, wie Judas den Herrn verräth,
Pilatus sich die Hände wäscht, der Herr sich
geifseln läfst und sein Kreuz trägt. Beim
Officium des hl. Geistes ist die Hauptdarstellung
des Pfingstfestes von vier kleinern umrahmt:
die Apostel ziehen aus in alle Welt, Petrus
predigt und tauft, Christus wird im Jordan ge-
tauft, weil von ihm die von Petrus gespendete
Taufe ausgeht. Ist es nicht auffallend, mit

welchem Geschick hier, die Sendung des hl.
Geistes in ihrem geschichtlichen Verlauf, ihrem
Erfolg und ihrer Ursache, den Werken und
Verdiensten Christi, gezeigt wird?

Die Miniatur, welche beim Todtenofficium
steht, folgt weil sie kulturhistorisch merkwürdiger
ist als die übrigen, in Abbildung (Seite 85/86).
Aus ihr wird auch Stil und Ausführung der
übrigen klar. Im Hauptbilde liegt der Ster-
bende unbekleidet
auf seinem Lager.
Die Kopfbinde deu-
tet wohl auf sein
Leiden hin. Der von
zwei Klerikern mit
Kreuz und Kerze
begleitete Priester
besprengt ihn mit
Weihwasser. Oben
nimmt der Erzengel
Michael eben die
Seele in Empfang,
um sie zu dem
durch das Fenster
hereinschauenden
Herrn emporzutra-
gen. Er wendet
sich um und stöfst
mit dem Ende seines
Kreuzesstabes eine
(in der Abbildung
kaum mehr erkenn-
bare) nur in feinen
Strichen angedeu-
tete Teufelslarve
zurück. Das oberste
Nebenbildchen geht

dem Hauptbilde
zeitlich voraus, denn
es zeigt die Erthei-
lung der hl. Wegzehrung. Im zweitem Neben-
bilde wird die Leiche in ein weifses Tuch ein-
genäht ; weiterhin tragen grau gekleidete Mönche
sie zum Friedhof, wo sie ohne Sarg versenkt wird.
Ein thronendes Marienbild, welches das
nackte Kind auf dem Schoofs hält, leitet fünf-
zehn Gebete zu Ehren der Freuden Marias ein.
Sie passen so trefflich zur ebenso vornehmen
als kirchlichen Ausstattung des Buches und
spiegeln den Stil seiner Miniaturen so gut in
Worten, dafs wir wenigstens zwei derselben
mitzutheüen nicht unterlassen können. Sie lauten:
 
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