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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Reichensperger, August: Die Restaurirung von Kirchen betreffend, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0080

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1889. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTUCHE KUNST

Nr. 4.

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nern bestehende Kommission zu dem in Rede
stehenden Zwecke, sowie zur Prüfung von
Plänen zu Neubauten bestellt würde.

Bevor zu einer Restaurirung geschritten wird,
ist natürlich eine genaue Untersuchung des be-
treffenden Bauwerkes erforderlich. Nur wenn
und soweit der Bestand desselben sich bedroht
findet oder eine Gefährdung nach aufsen hin,
z. B. durch Herabfallen von Steinen, sich er-
gibt, ist dagegen geeignete Vorkehr zu treffen.
In solchen Fällen fragt es sich zunächst, ob
nicht etwa mittels sog. fliegender Gerüste den
Uebelständen abzuhelfen ist. Findet sich erst
einmal ein Bauwerk mit mächtigen, kostspieligen
Gerüsten umgeben, so liegt die Versuchung nur
allzu nahe, den ganzen Bau gewissermafsen zu
verjüngen, denselben in den Augen des Publi-
kums, je nach dem Geschmack des leitenden
Architekten, verschönert, aus dem Rüstwerke
hervorgehen zu machen.

Dabei spielt denn, besonders wenn es sich
um Tuffsteinbauten handelt, das Scharirinstru-
ment eine hervorragende Rolle. Irgendwie
schadhafte, nicht besonders augenfällige Zier-
stücke, Profilirungen u. s. w., wie solche meist
den Bau charakterisiren, und auf dessen Ent-
stehungszeit hinweisen, werden beseitigt oder
durch Anderes, nicht getreu Nachgebildetes er-
setzt, Spuren früherer Aenderungen des Baues
verwischt. Das Alles und Aehnliches noch ist
um so mehr zu besorgen, als fast immer irgend
ein beliebiger, keinerlei Gewähr bietender Bau-
führer mit dem eigentlichen Bewerkstelligen der
Restaurirung sich beauftragt findet. Es gibt aber
kaum ein altes Baudenkmal, welches nicht in
seinen Einzelheiten eine gewisse Eigenartigkeit
zeigt; dem Mittelalter insbesondere war alles
Schablonenhafte fremd. Der Zerstörungsvanda-
lismus reifst Blätter aus der Kunstgeschichte,
der Restaurirungsvandalismus') verfälscht die-
selbe, mitunter bis zur Unkenntlichkeit. Noch
die Bemerkung, dafs erfahrungsmäfsig nicht selten
das Nothwendigste, wie z. B. das Trockenlegen
des Baues, am Fufse desselben, die zweckdien-
liche Ableitung des Regenwassers, verabsäumt

') Hoffentlich findet obiges Doppelfremdwort Gnade
bei unseren Sprachreinigern. Läfst doch sogar deren eif-
rigster Vorkämpfer, Sarrazin, in seinem Verdeutschungs-
wörlerbuch für Architekten das Wort ,,Renaissance"
unübersetzt, obgleich kein anderes Fremdwort leichter
zu verdeutschen war! Weit befremdlicher noch, als
dessen Duldung dieses fremdländischen Wortes, ist die
der fremdlichen Kunst weise, welche dasselbe bezeichnet.

wird, während man die verfügbaren Geldmittel
zur Ungebühr auf das Verjüngen und Ver-
schönern wendet.

Die Aufgabe des mit einer Restaurirung
Beauftragten ist wesentlich erschwert, wenn eine
solche schon früher einmal stattgefunden hat,
wenn auf eingreifende Veränderungen, im Ver-
hältnifs zum ursprünglichen Plane des Bau-
werkes, Rücksicht genommen werden mufs.
Auch dann wird mit möglichster Schonung des
nun einmal Vorhandenen zu verfahren sein,
insbesondere dann, wenn die Aenderungen oder
Zuthaten einer Periode entstammen, deren Rich-
tung und bauliches Schaffen im Allgemeinen
für mustergültig erachtet werden mufs. Dafs
wir da an die nahezu vierhundertjährige Periode
denken, während welcher der gothische Stil
im ganzen christlichen Abendlande der allein
herrschende war, braucht wohl nicht erst ge-
sagt zu werden. Es mag sein, dafs während
desselben zuweilen etwas zu rücksichtslos mit
den Schöpfungen vorangegangener Perioden
verfahren ward; allein es findet dies Entschul-
digung darin, dafs die Meister der Gothik das
durchaus berechtigte Bewufstsein in sich trugen,
allererst der christlichen Idee vollen Ausdruck
auf dem Gebiete der Architektur zu geben, für
dieselbe, auf geometrischem Grunde, eine feste
Unterlage gefunden zu haben, von welcher aus
den Bedürfnissen und Aspirationen aller Art
in jedem Material entsprochen werden könne.

Wie sehr in Wirklichkeit es sich so verhielt,
thut allein schon der Umstand dar, dafs alle
die grofsen Meister, welche am Erbauen roma-
nischer Dome begriffen waren, mit ihren Hütten
beim Erscheinen der Gothik sich derselben zu-
wendeten, wie schwierig und störend es auch
für sie war, die ursprünglichen Baupläne dem
neuen Systeme anzupassen. Und eine Rückkehr
zur romanischen Bauweise hat nicht stattgefun-
den; die dem germanischen (westfränkischen)
Genie entsprossene Gothik hat unseren Welt-
theil mit formvollendeten, zum Theil glän-
zendsten Kunstdenkmalen aller Art, ohne Zahl,
bedeckt, bis dahin, dafs unter dem Zusammen-
wirken verschiedenartigster Umstände und Be-
gebnisse die antikisch-welsche Mode, zum Theil
eben um ihrer Prinziplosigkeit willen, ton-
angebend geworden ist. Man kann dazu nur
lächeln, wenn heutzutage hier und da ein
Architekt oder ein Kirchenvorsteher, auf Grund
seines „Geschmackes" sich über die vorgedachten
 
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