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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0108

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175

1889.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

176

ersten Saal mit seinen schlanken, bis in den Anfang
des XIV. Jahrh. zurückreichenden Heiligenfiguren weist
durch gute Zeichnung und charakteristische Farben-
stimmung, in der namentlich Roth und Blau vorwiegen,
auf französische Abstammung, also vielleicht auf die
Werkstätten von Arras hin. Diese koloristische Eigen-
thümlichkeit tritt auf den beiden grofsen vogelperspek-
tivisch gezeichneten Teppichen in noch höherem Mafse
hervor. Von den Teppichen des II. und III. Saales
dürften mehrere, namentlich die mit Gold durchwirkten,
auf Brüssel oder Brüges zurückzuführen sein, die des
letzten Saales aber wiederum ausschliefslich auf fran-
zösische, also Pariser Manufaktur. — In den Vitrinen
erscheinen als Gewebe ein Chormantel aus gemischtem
Stoff (Leinen mit Seide) um 1300 und verschiedene
geschnittene Sammete und Sammetbrokate, welche
kirchliche Gewänder bilden und mit Stickereien
geschmückt sind. Unter diesen behauptet dem Alter
wie der Ausführung nach ein ganz breiter Stab mit
der Darstellung der Wurzel Jesse die Spitze. Er
gehört zur Sammlung Spitzer und in den Beginn des
XIV. Jahrh. und kann wohl (der unteren Abrundung
wegen) nur zur Rückenausstattung einer Chorkappe
gedient haben, wie sie in alten Inventarien sich be-
schrieben findet. Der ganze Grund ist mit metallischem
Goldfaden in feinen Musterungen ausgestickt, die farbige
Zeichnung sowohl des Rankenwerkes, wie der von ihm
umrahmten Figuren, mit Seide eingestickt und zwar
in der dem XIII. und XIV. Jahrh. eigenen, überaus
sorgsamen Technik, welche obgleich Plattstich, durch
aparte mehr rundliche Behandlung der einzelnen Theile
diese um so besser zur Geltung kommen läfst. Da
diese Stickerei zugleich auf's Allerbeste erhalten ist, so
zeigt sie diese kirchliche Kunstfertigkeit auf der wunder-
baren Höhe, die sie in der frühgothischen Periode
erreichte, an welche daher auch die modernen Bestre-
bungen auf diesem Gebiet vornehmlich wieder anzu-
knüpfen haben, insoweit sie auf künstlerische Bedeutung
ernsten Anspruch erheben. Fast derselben Zeit ent-
stammt ein Triptychon, welches ursprünglich wohl den
Zweck hatte, bei der Celebration auf den Altartisch
gestellt zu werden. Das Mittelbild zeigt den Schmerzens-
mann zwischen Maria und Johannes, der rechte Flügel
die hl. Katharina, der linke Johannes den Täufer; der
Goldgrund ist durch Ueberfangstich gebildet, das Figür-
liche durch eine Art von Gobelinstich, die architek-
tonische Bekrönung in schwachem Relief aufgelegt, in
Zeichnung wie Technik eine Leistung ersten Ranges,
an deren französischem Ursprung nicht zu zweifeln ist.
Auch die drei Aumonieres, welche darüber angebracht
und ähnlich denen von Tongern zum Theil mit kleinen
Relieffiguren belegt sind, gleichfalls von tadelloser Aus-
führung im XIV. resp. XV. Jahrh., sind wohl als fran-
zösische Nadelarbeiten zu betrachten. Dagegen scheint
für die beiden spätgothischen Kasein mit breitem, über-
aus fein behandeltem Gabelkreuz, die Spitzer ausgestellt
hat, der Niederrhein in Anspruch zu nehmen, als er unter
burgundischem Einflüsse stand. Die beiden prächtigen

Lesepultdecken, schwerer Frisestoff und goldkordel-
bestickter Sammet, mit den grofsen Renaissance-Dar-
stellungen sind sicher in Italien entstanden, wo man
sich bei den Goldstickereien nicht blofs auf die farbigen
Lasuren mit der Nadel beschränkte, sondern auch den
Pinsel zu Hülfe nahm und eine zwar blendende, aber
über den Charakter der Stickerei hinausgehende Wirkung
erreichte. Ueber das Ziel schiefst auch die figürliche
Reliefstickerei, zumal in der starken Reliefirung, in der
sie ein Sammetbrokat-Chormantel zeigt mit einge-
webten spanischen Wappen, der wohl auch in seinen
gestickten Stäben spanische Arbeit. Der andere Chor-
mantel von geschnittenem Sammet und mit einfachen
Plattstichfiguren kann auf französischem Boden ent-
standen sein.

Ueberschauen wir noch einmal das hier in leicht
übersichtlicher, wenn auch nicht in phantastisch-dekora-
tiver Ausstellung Gebotene, so werden wir ihm wegen
seiner kunsthistorischen Bedeutung und seiner Lehr-
haftigkeit in Bezug auf Darstellung, Stil und Technik
hohes Lob spenden müssen. Es gibt zwar kein voll-
ständiges, aber doch ein anschauliches Bild von der
Leistungsfähigkeit der französischen Kleinkunstler resp.
Kunsthandwerker in diesem Jahrtausend. Es fehlt aller-
dings nicht an öffentlichen Museen, die mehr und Be-
deutsameres bieten als das hier Vorhandene, und sogar
einige Privatsammlungen mögen ihm den Rang streitig
machen. Aber in der fast vollständigen Beschränkung
auf französische Arbeiten und in dem Reichthum der
frtthern Goldschmiedearbeiten aus dem ursprünglichen
kirchlichen Besitze und der Emailwerke aus Limoges,
steht das hier Zusammengetragene beispiellos da. Dafs
die sachverständige archäologische wie technische Ver-
gleichung manche neuen Gesichtspunkte ergeben wird,
ist bei der Tüchtigkeit und Strebsamkeit der fran-
zösischen Forscher nicht zu bezweifeln. Sie werden
es zwar wohl ebensowenig zu einem beschreibenden
Kataloge bringen, als die Veranstalter der Ausstellung
im Jahre 1878, aber an einer gründlichen Beschreibung
der hervorragendsten Gegenstände in Fachorganen,
namentlich der Gazette des beaux arts, in der die
bedeutendsten Kunstschriftsteller sich begegnen, wird
es sicher nicht fehlen, wohl nicht einmal an eigenen
Publikationen. Ein Theil der vorhandenen Gegenstände
wird in dem Prachtwerke behandelt werden, welches
Spitzer über seine Sammlung vorbereitet. Es sind dafür
die berufensten Kräfte nicht blofs Frankreichs gewonnen
und fünf Bände in Grofsfolio in Aussicht genommen
mit zahlreichen Holzschnitten, Heliogravüren, Zinko-
graphien und Lichtdrucktafeln, aber auch mit vielen
Chromolithographien, die in der Nachbildung von
Emails, farbigen Gläsern, Majoliken, Gobelins das
Höchste erreichen, was dieses Verfahren zu leisten
vermag. Der erste Band soll noch in diesem Monate
ausgegeben werden. Von seinen Illustrationen, wie von
denen der folgenden Bände wird es uns vergönnt sein,
unseren Lesern schon in den nächsten Heften mehrere
vorzuführen mit sie erklärendem Texte. Schniitgen-
 
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