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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Illert, Karl: Die fertige Thür des Kölner Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0146

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24 r

1889.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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noch, selbst bei naturalistischster Auffassung,
ziemlich regelmäfsig und sich wiederholend wird
schon Bewegung und Wirkung in der weiteren
Stufung, dem Blumen- und Blattwerk. Hier ist
die Regelmäfsigkeit schon in den Gesetzen des
Wachsthums der Pflanzen, ihrer Blatt- und
Blüthenbüdungen enthalten und je nach dem
Wunsche und Zwecke des Bildners lassen sich
mit Hülfe dieser Ornamentmotive regelmäßigere
oder freiere Linienführungen, Flächen- und
Massenwirkungen in mannigfaltigster Weise er-
zielen. Bald folgen die durch Laubwerk ver-
körperten Ornamentzüge mehr strengeren, leicht
erkennbaren geometrischen Figuren, bald sind
sie mehr in naturalistischer, unregelmäfsiger
Weise angeordnet. Sie können sich aus Ge-
bilden der vorhergehenden Stufen entwickeln
oder mit solchen verschmolzen sein, aber auch
in Motive aus den Formen der höheren Orga-
nismen der Thierwelt und des menschlichen
Körpers übergehen und somit in ihren Wirkungen
und ihrem ornamental-ästhetischen Werthe die
zahlreichsten weiteren Abstufungen darbieten. Der
Gipfelpunkt der künstlerischen Ausschmückung
wird aber stets in derjenigen Stufe erreicht, welche
dem schaffenden Meister es ermöglicht, im wirk-
samsten Gegensatze zu jenen mehr oder weniger
i'egelmäfsiggeordneten und gegliederten Gebilden
der vorgenannten Ornamentgattungen, sich der
zwar nach seinem Willen und Plane bestimmt
angeordneten, aber in der Wirkung ganz un-
regelmäfsigen Massenzurechtsetzung, Flächenge-
staltung und Linienführung der figürlichen Dar-
stellung liehen jenen zu bedienen. Und hierin
liegt der ästhetische Schwerpunkt des figürlichen
Schmuckes, also vollständig unbeachtet seiner
sonstigen Fähigkeit, eine noch höhere Bedeutung
m symbolischer Beziehung oder durch Darstellung
bestimmter Personen und Handlungen gewinnen
ZU können.

Eine reiche und glückliche Komposition be-
c''ent sich aller angedeuteter Hauptstufen in einer
Art, welche jeder derselben den ihrem Werthe
Ur»d ihrer Wirkung entsprechenden, gehörigen
* latz anweist und mittelst der Gegensätze ihres
Verschiedenen Wesens denjenigen Wechsel er-
äugt, der auf unser Empfinden den befriedigen-
den Eindruck der Harmonie ausübt. Finden wir
dagegen in einer Komposition Gebilde einer
Jener Stufen an einer Stelle, an der wir infolge
( es gedachten naturgemäfsen Steigerungsgesetzes
le Formen einer anderen Stufe zu erwarten

haben, oder z. B. Formen einer Stufe, etwa
Blattwerk, als Füllung eingeschachtelt in ein
Rahmenwerk der gleichwerthigen Stufe von
Laubornament, so ist der die Harmonie bedin-
gende Wechsel nicht erreicht, was dem Beschauer
— der Ursache bewirfst oder unbewufst — den
unbefriedigten Eindruck giebt. Diese Gefahr
war für die Ausbildung der Kölner Thüren
durch jene Programmbestimmung, welche die
höchste Stufe der Schmuckmittel eben ausschloss,
sehr nahe geführt. Es ist deshalb das besondere
Verdienst der Schneider'schen Entwürfe gewesen,
nicht nur dieser Gefahr geschickt ausgewichen
zu sein, sondern auch ohne gerade gegen das
Programm zu verstofsen, doch gewissermafsen
jene Schranke durchbrochen und die Zulassung
figürlicher Darstellungen nicht mit Worten son-
dern durch die That bereits im Wettbewerb
wieder erstritten zu haben.

Es gelang dem Künstler dies, indem er als
innerste Füllung in die kleinen quadraten Felder,
umrahmt von Vierpafsformen, deren Zwickel
mit Blattwerk verziert sind, jene phantastischen,
figurenartigen Gebilde hineinsetzte, welche der
Formenschatz des Kölner Doms besonders an
dem Chorgestühl in reicher Menge darbietet
und welche, zwischen Thier- und Menschen-
gestalten stehend bezw. aus Formen beider zu-
sammengesetzt, eine Ueberleitung der gering-
wcrthigeren Ornamentstufen zur figürlichen Dar-
stellung bilden, oder diese höchste Stufe zu er-
setzen suchen, da wo man ihrer Wirkung nicht
entrathen mochte, wo aber für die Darstellung
von Personen, Handlungen oder Symbolen —
also besonders an den unteren und untergeord-
neteren Theilen der zu schmückenden Gegen-
stände — nicht der rechte Ort gewesen wäre.
Es sind für die in Rede stehende Dreikönigen-
thür diese rein phantastischen Figuren nun
ebenfalls nur für die unteren Felder der Thür-
flügel beibehalten worden, während für die
oberen Felder ähnliche Gestalten gewählt worden
sind, welchen aufser der vorentwickelten rein
ästhetischen Bedeutung noch eine symbolische
beigegeben wurde, indem gemäfs Bestimmung
des Metropolitan-Kapitels auf die zahlreichen
Thier- und Phantasiebilder der Symbolik des
christlichen Mittelalters zurückgegriffen wurde.

Wir finden zunächst die vier an den mittel-
alterlichen Kunstwerken am häufigsten vorkom-
menden, auf Christus sich beziehenden Bilder:
1) den Adler, welcher zur Sonne aufschwebt
 
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