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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0028

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31

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 1.

32

Zur Kennzeichnung der Renaissance.

or einiger Zeit brachte die in Berlin
erscheinende Wochenschrift »Die
Gegenwart« (Bd. 36, Nr. 38) unter
der Ueberschrift: »Die Gothik und
die Konfessionen« einen 6 Spalten einnehmenden
Artikel, in welchem dessen Verfasser, Cornelius
Gurlitt, darauf hinweist, wie „neuerdings ein
eigenthümliches Schauspiel vor unseren Augen
sich entwickelte, indem ein katholischer Geist-
licher gegen die fanatische Gothikbegeisterung
sich auflehne, die namentlich am Rheine hei-
misch" sei. — „Der Professor eines Grazer
Priesterseminars", so heifst es dort weiter wört-
lich, „und auch sonst als Kunstgelehrter ver-
diente Johann Graus hat nun ein sehr be-
merkenswerthes Buch: »Die katholische Kirche
und die Renaissance« in 2. Auflage herausge-
geben, in welchem er für die „Kirchlichkeit"
der Renaissance mit Geist und Wärme eintritt.
Allem Anschein nach wird in wenig Jahrzehnten
seine Ansicht in katholischen Kreisen gesiegt
haben." Es folgt dann eine Darlegung des
„Gedankengangs in Graus' Buche", welcher der
Satz sich anreiht: „Entgegensteht Graus nament-
lich der um die neugegründete »Zeitschrift für
christliche Kunst« sich sammelnde rheinische
Gelehrtenkreis, an dessen Spitze Reichensperger
fanatisch für die Gothik kämpft." Bei Herrn
Graus hat der Artikel, obgleich ihm darin ein
Willkomm zugerufen und im Voraus die Sieges-
palme gereicht wird, sicherlich ein gemischtes
Gefühl zuwege gebracht, indem u. A. Gurlitt ihm
darin Unrecht gibt, dafs er die Spätgothik als
„Verfall" behandelte, und weiter den Barock-
stil, welchen Graus gegen die Gothiker als durch-
aus kirchlich in Schutz nimmt, dem Protestan-
tismus vindizirt. Ebensowenig wird es Herrn
Graus, als katholischem Priester, zusagen, wenn
sein Verbündeter, sich gegen die „Frömmigkeit
der guten Werke" wendend, sagt, es seien „die
gothischenDome aus Momenten hervorgegangen,
welche den Protestantismus und das deutsche
Nationalgefühl grundsätzlich zu bekämpfen
haben". Jedenfalls wird Herr Graus nicht zu-
geben, dafs jene Frömmigkeit zum deutschen
Nationalgefühl im Gegensatze stehe. Doch dar-
über und über Sonstiges noch mögen die beiden
Herren sich untereinander benehmen; der Unter-
zeichnete würde davon so wenig, wie von dem

in Rede stehenden Artikel überhaupt, trotz der
darin enthaltenen, gegen seine Person gerichteten
Provokation, Aufhebens gemacht haben, wenn
nicht Herr Graus selbst ganz neuerdings den
Fehdehandschuh hingeworfen hätte. Schon in
seiner früheren, oben erwähnten Schrift, welche
sehr eingehend die Renaissance verherrlicht und
für sie den Charakter strenger Kirchlichkeit in
Anspruch nimmt, wird der Gothik und ihrer
Verfechter in wenig schmeichelhafter Weise ge-
dacht; weit schlimmer ergeht es denselben in des-
sen unter dem Titel: „Ueber eine Kunstanschau-
ung, Briefliches an einen fernen Freund" vor ganz
Kurzem erschienenen Broschüre. Dieselbe ist
veranlafst durch den, die Ueberschrift: „Einwir-
kung der neu eingeführten antikisch - welschen
Kunst, ihr Charakter und ihre Schöpfungen" füh-
renden Abschnitt im 6. Bande von Janssens
Geschichte des deutschen Volkes, in welchem
Abschnitt der Einflufs der sog. Renaissance auf
die deutsche Kunstübung als unheilvoll nach-
gewiesen ist. Dagegen polemisirt nun Herr Graus
in einer so selbstbewufsten, hochfahrenden Weise,
als ob Janssen, zu seinen Füfsen sitzend, nur
nach ihm aufzuschauen, das Urtheil von ihm
zu empfangen hätte. Janssens Angriffe auf die
Renaissance, so läfst sich Herr Graus u. A. ver-
nehmen, seien nicht gegründet auf eigentlich
kunsthistorische Studien an den Kunstwerken
selbst; sie seien „formirt durch aufgebrachte
Citate verschiedener fremder Urtheile". Woher
Herr Graus dies weifs, sagt er nicht; jedenfalls
scheint er seinerseits nicht zu wissen, dafs Janssen
durch einen längeren Aufenthalt in Italien und
durch Reisen in Deutschland sehr wohl in die
Lage gekommen war, auf Grund eigener An-
schauung zu urtheilen. Soweit dies nicht der
Fall gewesen sein sollte, hätte es dem Herrn
Graus obgelegen, darzuthun, dafs seine eigene,
bis jetzt, meines Wissens, nur von Herrn Com.
Gurlitt öffentlich anerkannte Autorität, die Au-
torität der von Janssen angerufenen Gewährs-
männer überwiegt. Nicht einmal ein dahin-
gehender Versuch wird aber von ihm gemacht;
nur der ungenannte „ferne Freund" als blinder
Jasager vorgeführt. Doch, es kann füglich
dem Verfasser der »Geschichte des deutschen
Volkes« überlassen werden, den gegen ihn
persönlich gerichteten Angriffen zu begegnen.
 
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