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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0031

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37

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

38

»Lucretia Borgia« (Bd. I, S. 96) läfst er sich

wie folgt vernehmen:

„Nachdem sich in der Renaissance der erste
Brach mit dem Mittelalter und seiner asketischen
Kirche vollzogen hatte, trat eine schrankenlose Eman-
zipation der Leidenschaften ein. Alles was für heilig
gegolten hatte, wurde verlacht. Die italienischen
I reigeister erschufen eine Literatur, deren nackter Cy-
nismus nirgend seines Gleichen hat. Vom Hermaphro-
ditus des Baccadelli an bis zu Berni und Pietro Are-
tino herab, breitete sich in Novellen, Epigrammen und
Komödien ein literarischer Sumpf aus, vor dessen
Anblick der ernste Dante wie vor einem höllischen
Pfuhle würde zurückgebebt sein. Selbst in den
minder lasciven Novellen, deren Reihe Piccolomini
mit dem Euryalus begann, und in den minder obszönen
Komödien sind doch immer Ehebruch und die Ver-
spottung der Ehe das herrschende Motiv. Die Hetäre
wurde die Muse der schönen Literatur der Renais-
sance. Sie stellte sich dreist neben, die Heiligen der
Kirche, mit ihr um die Palme des Ruhmes zu streiten.

Eine handschriftliche Gedichtsammlung aus der Zeit
Alexanders VI. enthält eine fortlaufende Reihe von
Epigrammen, welche erst die Jungfrau Maria und
viele heilige Frauen feiern, und dann in demselben
Athemzuge, ohne Absatz noch Bemerkung, Hetären
der Zeit verherrlichen. Die Heiligen des Himmels
und die Jüngerinnen der Venus werden ohne Weiteres
neben einander gestellt als berühmte Frauen."

Es mag sein, dafs in dieser Schilderung die
damalige moralische Epidemie zu sehr verall-
gemeinert erscheint; jedenfalls wird man nach
derselben die oben mitgetheilten Skandale nicht
: als vereinzelte, in Bezug auf die Beurtheilung
| der Situation unerhebliche Thatsachen beiseite
schieben können. Vielmehr wird man zugeben
müssen, dafs Herr Graus arg fehlgreift, wenn
er Italien schlechthin als „das Land der Hei-
ligen, die Heimath der kirchlichen Kunsttra-
dition" charakterisirt. (Schtufs folgt.)

Köln. A. Reichensperger.

Bücherschau.

Die Architektur der Hannoverschen Schule.

Moderne Werke der Baukunst und des

Kunstgewerbes im mittelalterlichen Stil.

Herausgegeben im Auftrage der Bauhütte zum weifsen

Blatt von Gustav Schönermark I.Jahrgang.

Hannover 1889, Karl Mantz.

Unter diesem Titel bringt der Verfasser eine Reihe

von lauen zu gröfstentheils vollständig fertig gestellten

Bauwerken aus den Gebieten der weltlichen und kirch-

t^,, ZUr A"s<Aauung; nnd zwar gehören

de Werke theils der Zeit des frischen Aufblühens

deser Schule an, also den 'sechziger Jahren, theils,

?ll M-. r\Urger Hafe'^beiten, der allerjüngsten

Zeit. Mit Recht ist das Portrait unseres Altmeisters

Wase m Hannover in wohlgelungener Darstellung den

Heften vorgesetzt, denn an seine Person und sein

Wirken knüpfen sich in erster Linie die künstlerischen

^rungenschaften, welche diese Schule mit vollem

TT VCh in AnsP™ch nimmt. Die letztem be-

ntrV J°T A1,Cm darauf' dafs d<* R°"bau all-
mahl^ch sich allseitige Geltung verschafft hat, wie sich
gle hzeitig das Bestreben ehrlicher Künstler, das Kon-

UnverdeclTT künstlerisc" durchzubilden, möglichst
m,ve deckt darzustellen, „nd dem Material anzupassen

di chen Tran6! ^^ **> W'e ^ d" ™^

t^^tZ'l^l^ ?as For"n in

sinrl ,Uo a- Rechnung getragen wird. Dabei

ändn dngS',naihdem man Sich »* S-fserem Ver-
" t M16 ^ !Chen f,Uhg°'hischen Formen ange-
eignet hatte die letztern besonders bei dem Werk-
stembau und den Werksteinornamenten, sowie den

meisten Profilirungen mit der Zeit eingeführt und hat
dieses zu einer modern frühgothischen Ziegelarchitektur
geführt, welche jenen eigenthümlichen Charakter trägt,
den man als Hannoversche Schule bezeichnet. Dabei
tritt überall das Bestreben auf, durch malerische Grup-
pirung und gleichzeitig durch farbig glasirte Ziegel-
steine, sowie verschiedene Werksteinsorten belebend zu
wirken. In sorgfälliger wohl durchgearbeiteter Weise ist
stets der Innenbau streng im Charakter des Aeufsern
durchgebildet und auch hier, soviel als möglich, dem
Surrogatwesen und der lügnerischen Imitation aus dem
Wege gegangen. Eine gewisse Strenge und Härte in den
Formen, besonders auch bei der fast ausschliefslichen
Verwendung der frühgothischen Einzelheiten kann bei
den Gegenständen des häuslichen Dekors und Mobi-
lars gegenüber den geschmeidigen spätgothischen Vor-
bildern oder denen der üppigen Renaissance allerdings
nicht in Abrede gestellt werden, während bei der Aus-
rüstung der Kirchen meist der erforderliche Ernst bei
prächtiger oft origineller Ausführung mit Glück erreicht
ist. Bei manchen Schülern dieser Schule finden wir
leider, dafs sie den strengen Regeln des Meisters nicht
immer treu geblieben sind und dem bauenden Publikum
gegenüber Konzessionen gemacht haben, die zu weit
gingen. Der Verfasser wird sich hoffentlich bemühen,
derartige Werke zu verschweigen, damit der schöne
Zweck der Veröffentlichung, der Reinheit des mittel-
alterlichen Stiles und den damit in Verbindung stehen-
den guten Grundsätzen eine weitere Verbreitung zu schaf-
fen, nicht verloren gehe. Auffallend sind die niedrigen
Baukosten, welche neben den Abbildungen beigefügt
 
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