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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0059

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87

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 3.

thung bestärkt, als er an der nördlichen Wand
in der Spitze des Bogens eine giebelähnliche
Form von lebhafter rother Farbe durch die hier
anscheinend nur dünn aufgestrichene Tünche
hervorschimmern sah. Im letzten Winter zeigte
sich dieser rothe Fleck sehr deutlich, und der
Herr Metropolitan theilte seinem Pfarramts-
gehülfen, Herrn Kandidat Eisenberg, seine Ver-
muthung mit. Der letztere erfafste die Ange-
legenheit mit grofsem Eifer und fing an, unter-
halb der betreffenden Stelle, soweit er von der
Treppenbühne aus reichen konnte, die Tünche
vorsichtig mit dem Federmesser abzuschaben.
Der Erfolg war überraschend; denn binnen
Kurzem trat an der in Angriff genommenen
Stelle ein Christusbild zu Tage. Dieser erste
Erfolg feuerte zu weiteren Versuchen an, und
bald ergab sich, dafs der ganze Raum, mit
Ausnahme der östlichen Wand, mit Malereien
bedeckt war. Dank der wahrhaft liebevollen
Behutsamkeit, mit welcher Herr Eisenberg zu
Werke ging, kamen dieselben fast unversehrt
zum Vorschein. Als mir die Entdeckung im
Februar dieses Jahres durch den Landrath Herrn
Freiherrn von Dörnberg, welcher die Sache
durch seine kunstsinnige Antheilnahme lebhaft
förderte, mitgetheilt wurde, war schon so viel
blofsgelegt, dafs man über das Ganze der An-
ordnung einen vollständigen Ueberblick ge-
winnen konnte. Seitdem hat die ausdauernde
Bemühung der beiden Herren — denn ange-
sichts des schönen Ergebnisses hat auch Herr
Metropolitan Befs trotz seines ehrwürdigen Al-
ters es sich nicht nehmen lassen, eigenhändig
an der mühsamen Arbeit des Abschabens und
Abklopfens der Tünche mitzuwirken — nahezu
die ganze Bemalung der Wände aufgedeckt. Die
Treppen und Bühnen sind auf das unentbehr-
lichste eingeschränkt und so gestellt worden,
dafs sie nirgends mehr die bemalten Wände
verdecken. Die Bemalung der Gewölbe liegt
zum gröfsten Theil noch unter der Tünche, zu
deren Beseitigung hier die Aufstellung eines
Gerüstes erforderlich wäre; doch ist immerhin
so viel von derselben sichtbar, dafs man ihr
Wesen erkennen kann.

Die Malerei ist augenscheinlich unmittelbar
nach der Vollendung des Baues ausgeführt wor-
den ; denn sie gehört noch dem XV. Jahrh. an.
Dem Maler standen drei Wände zur Verfügung.
Die Ostwand, welche ganz oben von einem klei-
nen Mafswerkfenster durchbrochen wird, wurde

vermuthlich fast ganz von einem ansehnlichen
Altaraufbau eingenommen; denn hier sind, ab-
gesehen von einem Konsekrationskreuz und
einigen vom Gewölbe herübergreifenden Ranken,
keinerlei Spuren von Bemalung aufgefunden wor-
den. Die drei zu bemalenden Wände stellten
jede ihre besondere Aufgabe hinsichtlich der
räumlichen Anordnung: die Nordwand bot ihre
ganze ungetheilte Fläche dar, die Westwand
dagegen nur das zwischen dem Triumphbogen
und dem Schildbogen übrig bleibende Lünetten-
feld nebst zwei kurzen Pfeilerflächen darunter;
die Südwand eine gröfsere, ganz unregelmäfsig
begrenzte Fläche, da sie unten rechts eine nie-
drige Thür und oben links ein zwar nur mäfsig
grofses, aber nach innen sich mit stark ab-
geschrägten Wandungen mächtig erweiterndes
Fenster enthielt. Jede dieser drei verschieden-
gestaltigen Wände hat der Maler ganz vor-
trefflich auszunutzen gewufst, wie die hier bei-
gegebenen in gleichem Mafsstabe gehaltenen
Abbildungen beweisen.

Die inhaltliche Anordnung der Malerei ist
die, dafs links vom Altar die Menschwerdung,
rechts das Leiden des Erlösers, in der Mitte
die Wiederkunft des Weltenrichters dem Be-
schauer vergegenwärtigt wird.

Die Aufgabe, die linke (südliche) Wand mit
lebensgrofsen Figuren zu schmücken — denn
unser Maler hatte das gute Gefühl, mit nur
wenigen, aber sprechenden Hauptfiguren zu wir-
ken und diese alle lebensgrofs darzustellen •—,
war zweifellos eine sehr schwierige. Ein mo-
derner Maler würde sich den Kopf zerbrochen
haben, wie er durch irgendwelche Eintheilung
und Gliederung einen Anschein von Regel-
mäfsigkeit in die unregelmäfsig zertheilte Wand
hineintäuschen könnte, und würde dadurch doch
schliefslich nichts Anderes erreicht haben, als
eine noch stärkere Beschränkung des für die
bildliche Darstellung vorhandenen Raumes. Der
dörfliche Maler des XV. Jahrh. aber nahm die
Wand, wie sie nun einmal war, und er malte
dahin, wo der meiste Platz war, sein Figuren-
bild; alles übrige füllte er mit Ornamenten, und
zwar legte er mit vollendet richtigem Gefühl
nur zwanglos ungebundene Gebilde in die un-
regelmäfsigen Felder. Die einzige gröfsere Fläche
der betreffenden Wand ist der Raum neben
dem Fenster und über der Thür, also ein Feld
in Hochformat, auf der einen Seite geradlinig,
auf der anderen von der Bogenlinie des Ge-
 
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