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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0065

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99

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 3.

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Ranken. Sehr vielseitig ist die Verwendung
des gelben Ockers; mit dieser Farbe ist im
Wechsel mit rothem Ocker die Steinfarbe der
Architektur angegeben; sie vertritt das Gold
in den Heiligenscheinen und in den Borten der
Gewänder, wirkt als goldiger Schimmer in der
Himmelspforte und auf den Engelsflügeln und
bezeichnet das härene Gewand des Täufers Jo-
hannes sowie das Blond der Haupthaare; und
man mufs zugestehen, dafs in allen Fällen die
beabsichtigte Wirkung erreicht ist, bald durch
die gröfsere oder geringere Durchsichtigkeit des
Auftrags, bald durch verschiedenartige Einzeich-
nungen mit Schwarz; geradezu staunenswürdig
ist in letzterer Hinsicht die durch Einzeichnung
kräftiger schwarzer Muster erzielte Wirkung von
Goldbrokat bei dem Unterkleid der Jungfrau
Maria an der Südwand. Die Beschränkung in
den Farben kommt, wie gesagt, der Einheit in
der Farbenwirkung sämmtlicher Malereien zu
Hülfe; das Beste hat aber darum doch der ge-
sunde und sicherlich wohlgeschulte Farbensinn
des Malers dazu gethan, der überall die ohne
Uebergang nebeneinander stehenden Töne bald
kräftig bald mild zu einander zu stimmen wufste.

Die Malereien stehen, wenn man von der
Abblassung, welche das Uebertünchen nothwen-
digerweise zur Folge hat, absieht, zum grofsen
Theil in ihrer ursprünglichen Frische da. Aus-
besserungen scheinen nie an denselben vorge-
nommen worden zu sein, und nur Weniges ist
schon vor der Uebertünchung verblichen oder
verwittert gewesen. Die Bilder haben nur wenig
mehr als ein Jahrhundert lang ihrer Bestim-
mung, die Besucher des Gotteshauses zu er-
bauen, erfüllt, da sie wahrscheinlich dem Bilder-
sturm des Jahres 1606 zum Opfer gefallen sind.
Dafs sie bereits früher, gleich bei der Einfüh-
rung der Reformation, zugestrichen worden
wären, ist durchaus nicht anzunehmen.

Im Ganzen betrachtet sind diese Schöpfun-
gen eines namenlosen Malers, der in den Reihen
seiner damaligen Kunstgenossen nur einen ganz
kleinen und bescheidenen Platz eingenommen
hat, ein Werk, von dem wir Modernen sehr viel
lernen können. Sollten wir nicht in ähnlicher ■
Weise zu Werke gehen können, um kleineren
kirchlichen Räumen mit geringem Kostenauf-
wand einen würdigen Schmuck zu verleihen?
Daran freilich ist ja heutzutage nicht zu denken,
dafs ein Handwerker, selbst ein besserer Deko-
rationsmaler, Derartiges entwerfen könnte. Für ]

den Entwurf müfste schon eine Künstlerhand in
Anspruch genommen werden. Aber ein sol-
cher Entwurf würde sich mit verhältnifsmäfsig
geringem Zeitaufwand herstellen lassen, daher
auch verhältnifsmäfsig leicht zu erlangen sein.
Zunächst liegt eine ungeheure Vereinfachung der
Aufgabe in der Benutzung der weifsen Wand;
zu diesem Hintergrund stimmt jeder Ton, und
auf diesem Hintergrund spricht jede Form. Und
ferner, was aus der Verwerthung der weifsen
Wand fast mit Nothwendigkeit folgt: der Ver-
zicht auf eine kunstvolle oder künstliche Glie-
derung und Eintheilung der Wände, — welche
Ersparnifs an mühevoller Arbeit ist damit ge-
geben, und wieviel zwangloser kann dabei die
künstlerische Erfindung den Raum ausnutzen!
Das sind Erleichterungen der künstlerischen Auf-
gabe, die nicht unterschätzt werden dürfen. Und
in des richtigen Meisters Hand könnten diese
Erleichterungen der Sache selbst nur zum
Vortheil gereichen. Man ist ja darüber einig,
dafs die Wandmalerei die baulichen Flächen in
ihrer Wirkung als Flächen nicht beeinträchtigen
soll. Kann man aber einer Fläche in einer voll-
kommeneren Weise ihre Flächenhaftigkeit be-
wahren, als dadurch, dafs man sie ganz und
ungetheilt beläfst wie sie ist, und sie einfach
mit Malereien verziert, die man dem gegebenen
Format anpafst? Die Anpassung der Darstel-
lungen an das gegebene Format ist freilich wie-
der eine künstlerische Aufgabe. Im Uebrigen
würde bei einer Ausführung in jener anspruchs-
losen Art, wie die Malereien der Kirche zu
Niederzwehren sie zeigen, die Arbeit des geistigen
Urhebers sich darauf beschränken können, einen
endgültigen Entwurf in deutlicher und bestimm-
ter Zeichnung mit klarer und bestimmter Far-
benangabe auszuführen und später, nachdem
dieser Entwurf vergröfsert worden, die Umrisse
der Figuren und die Gesichter und Hände und
was sonst etwa fehlerhaft vergröfsert worden
wäre, eigenhändig nachzuziehen. Alles Uebrige
könnte er getrost einem gewissenhaften Hand-
werker überlassen; die Kunstlosigkeit der Aus-
führung würde die Erhaltung des künstlerischen
Gehalts gewährleisten. Der künstlerische Gehalt
aber ist es ja, von dem die Einwirkung auf den
Beschauer ausgeht; äufsere Schönheit und Rich-
tigkeit können nicht erbaulich wirken, das ver-
mag nur die aus dem Kunstwerk sprechende
Seele, die den Beschauer etwas Empfundenes
nachempfinden läfst. Wo wirklich künstlerische
 
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