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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0086

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Abhandlungen.

Bilderhandschrift des XI. Jahrhunderts
in der Dombibliothek zu Hildesheim.

Mit 8 Abbildungen.

ie Dombibliothek (Beverinaj
zu Hildesheim bewahrt
neben ihrem beträcht-
lichen Bestände an Bü-
chern auch eine Anzahl
alter Pergament - Hand-
schriften. Unter ihnen ist
es eine (Mnscr. 688, ältere

________________ Signatur U. 1 19), welche

sowohl rücksichtlich des Textes als auch ihres
künstlerischen Schmuckes der Beachtung werth
erscheint, um so mehr, als die Wissenschaft sich
schon länger, und neuerdings in besonders er-
freulicher Weise die Erforschung und Erklärung
frühmittelalterlicher liturgischer Bücher — zu
welchen das in Rede stehende Werk zählt — an-
gelegen sein läfst. Die Arbeiten eines Muratori,
Mabillon, Gerbert, Delisle, Thomasi, Springer,
Beissel, Brambach u. a., sowie die mit Beschrei-
bung und künstlerisch vollkommener Wiedergabe
des Bilderschmuckes ausgestatteten Veröffent-
lichungen wichtiger Handschriften, beispielsweise
derjenigen von Aachen (Otto-Evangeliar) und
Trier (Ada-Handschrift) geben hiervon Zeugnifs,
und sind wohl geeignet, auch in weiteren Kreisen
für die Entstehung, den Inhalt und die Aus-
schmückung der alten, zum Gebrauche beim
katholischen Gottesdienste bestimmten Bücher
ein Interesse zu erwecken.

Unsere Bilderhandschrift enthält in 12 Lagen
9C Stück 18 '/2 cm breiter, 22'/2 cm langer Per-
gamentblätter, und besitzt aller Wahrscheinlich-
keit nach noch den ursprünglichen Einband, be-
stehend in zwei Platten aus hartem Eichenholz
von gleichen Abmessungen bei 1' 4 cm Stärke.
Die Lagen werden durch drei Lederriemen
gehalten, welche in den Holzplatten verkeilt
sind. Die untere derselben zeigt unbenutzte,
scharf eingeschnittene Rillen und Löcher am
Rückenrande, sowie solche an den Ecken zur
Befestigung des „Capitals", Merkmale, welche
mit Sicherheit darauf schliefsen lassen, dafs das

Buch einmal umgebunden worden ist. Der
obere Deckel läfst noch deutliche Spuren einer
ehemaligen künstlerischen Ausstattung erkennen.
Das Holz war zu diesem Zwecke mit feinem
roth gefärbtem Kalbleder überzogen, welches für
die vermuthlich aus Edelmetall gefertigten Ver-
zierungen einen wirksamen Untergrund abgab.
Nach den im Leder noch sichtbaren Umrissen
zu urtheilen, schmückte die Mitte der Schau-
seite des Einbandes eine auf einer Halbkugel
stehende Heiligenfigur (Christus oder Maria?)
deren Nimbus in die an den Deckelrändern
sich hinziehende 2 cm breite Borte hineinragte.
Zahlreiche Nagellöcher weisen auf die Art der
Befestigung des Metallschmuckes, die Reste lei-
nener Bänder auf diejenige des Verschlusses hin.

Der Inhalt des Buches ist nicht mehr ganz
vollständig; mehrere Pergamentblätter sind wahr-
scheinlich bei oder vor dem erwähnten Um-
binden verloren gegangen. Von den noch vor-
handenen 96 Blättern erweisen sich nach dem
Texte und der frühmittelalterlichen Schrift 87
als zusammengehörig; die übrigen 9 enthalten
willkürlich aneinandergereihte Auszüge aus dem
alten und neuen Testamente, meist in der
Schreibweise der spätgothischen Zeit.

Auf den einzelnen Seiten ist mittelst des Grif-
fels ein Raum von 101/i cm Breite und 1372 cm
Länge vorgerissen, innerhalb dessen 12 Zeilen
zur Aufnahme des Textes gleichmäfsig vertheilt
sind. Der letztere ist in kräftigen Zügen, welche
auf das XI. Jahrh. hinweisen, mit schwarzbrauner
Dinte niedergeschrieben, während durch Ma-
juskelschrift in rother Farbe die Bezeichnung
der Feste und Zeiten des Kirchenjahres, sowie
die Titel und Anfänge der einzelnen Lesestücke
hervorgehoben werden. Diejenigen für die hohen
Feiertage und für die Feste einzelner Heiligen
haben durch Einfügung reich verzierter Initialen
und bildlicher Darstellungen noch weitere Aus-
zeichnung erfahren.

Die Handschrift gliedert sich dem Inhalte
nach in zwei Theile: der eine umfafst Lectionen,
der andere Orationen (Collecten). Die künst-
lerische Ausstattung erstreckt sich vornehmlich
auf den letztgenannten Theil, dessen Bilder-
 
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