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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0118

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199

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. G.

200

Krone mit eckigen, kronenförmig sich aus-
biegenden Oehren entspricht der angegebenen
Entstehungszeit, ebenso wie die Rippe, welche
nicht gerade stark und am Schlagringe ziemlich
scharf ist. Oben wird die Glocke von einem
Schriftbande zwischen einigen flachen Riemchen
umzogen. Die Schrift besteht aus Minuskeln, die
durch dem Glockenhemde aufgeklebte Wachs-
modelle entstanden sind. Die Legende lautet:

f^anno ■ i)tu° rit -ccc'-cxxxt'^iidts °J*ep
fcm&rts ° fuja ■ funt • per fcohoium ° \st fjar
leffem^organisfam-ef-otlogif { a m

Die Buchstaben des letzten Wortes sind etwas
weiter auseinander gerückt, weil sonst infolge
nicht ganz genauer Vertheilung der Wörter der
Raum bis zum Kreuze hin eine kleine Lücke
gezeigt haben würde. Man ersieht übrigens aus
Allem (Minuskeln, Herstellung und Glocken-
form), dafs eine falsche Datirung, etwa durch
ein in der Jahreszahl irrthümlich zu viel an-
gebrachtes C, nicht wohl statthaben kann. Wie
vereinigt sich damit nun aber das Vorkommen
des romanischen Kruzifixreliefs an dieser Glocke?
Unsere Abbildung läfst erkennen, dafs es wirk-
lich noch die Kennzeichen der vorgothischen
Kunstepoche zeigt, eine geiade Haltung des
Corpus, ein zwar etwas gesenktes, doch nicht
ganz herabgesunkenes Haupt, ein ziemlich lan-
ges, rockartiges Lendentuch, ungenagelt auf ei-
nem breiten Trittbrette neben einander stehende
Füfse, fast wagerechte Arme, einen Titulus mit
den Majuskeln (vielleicht besser Lapidarbuch-
staben) INR I u. s. w. Der Zeit entsprechen

auch die traueranzeigende Pose der hl. Maria,
deren Bekleidung mit einem über den Kopf
gehenden Mantel vervollständigt ist, sowie die
Figur des hl. Johannes, der sein Evangelium hält.
Bei ihm fällt die teufelartige Figur unter seinen
Füfsen auf. Sie anders deuten zu wollen, als
es für alle ähnlich angebrachten mittelalterlichen
Figuren geschieht, nämlich als das überwundene
Böse der thierisch-teuflischen Natur, dürfte kein
Grund vorliegen. Dieser Beschreibung zufolge
sind also die Formen des Kruzifixus ebenso ge-
wifs romanisch, wenn auch schon spätromanisch
oder vielleicht der Uebergangszeit angehörig, wie
die Glocke selber erst dem Jahre 1381 angehört.
Der Widerspruch löst sich, wenn wir uns die
Herstellung der Glocken im Mittelalter und die
Gepflogenheiten der alten Glockengiefser ver-
gegenwärtigen. Gewöhnlich verblieb das Glok-
kengiefsergewerbe in derselben Familie und mit
der Kunst vererbten sich auch die Geräthe
vom Vater auf den Sohn und wiederum von die-
sem auf den Enkel. Was nun unsere Glocke
anbetrifft, so liefert sie den Beweis, dafs ein sol-
ches Geräth, nämlich die in Holz geschnittene
Form für das aus Wachs zu formende und dem
Glockenhemde aufzuklebende Kreuzigungsbild,
sich gegen 200 Jahre von Geschlecht zu Ge-
schlecht fortgeerbt hat, indem hier zweifellos
romanische Formen noch um 1381 erscheinen.
Hinzuzufügen haben wir nur noch, dafs der-
artige Anachronismen an Glocken aus gleichem
Grunde häufiger sind, wie z. B. schon die etwas
spätere Annahme der Minuskel für die monu-
mentalen Inschriften öfters hierin ihren Grund hat.
Hannover. G. Schön er mark.

Bücherschau.

Die St. Quirinuskirche zu Neufs. Unter Zu-
grundelegung der Restaurationspläne des Regierungs-
baumeisters Julius Busch bearbeitet von W. l'.ff-
mann. Mit 30 Abbildungen. Düsseldorf 1890,
Druck und Verlag von L. Schwann. (Preis 3 Mk.)

Als späte Ausführung eines langgehegten Vorhabens
erscheint die vorliegende Sludie. Dafs der Suche nach
einem Verfasser für dieselbe endlich Effmann ein
Ende machte, gereicht ihr zu grofsem Vortheile, da
die Baudenkmäler der romanischen Epoche, namentlich
in Rheinland und Westfalen, Wenigen so bekannt und
vertraut sein dürften, als gerade ihm. Und bei der
Neufser Kirche kam es erst recht darauf an, ihr Ver-
hältnifs zu den verwandten Bauten in den vielen ge-
meinsamen und fast noch zahlreicheren abweichenden
Zügen scharf zu erfassen, ihre Eigenart zu kennzeich-
nen, ihr Herauswachsen aus früheren Anlagen zu be-

stimmen. Sorgfällige Untersuchungen waren hier noth-
wendig im Anschlüsse an die Feststellungen von Alden-
kirchen, und neue zuverlässige Kombinationen konnten
hier nur gewonnen werden durch Analogien, zu deren
Konstatirung nur eingehendste Kenntnifs der ähnlichen
Bauwerke befähigte. — An der Hand von 30 vor-
trefflichen, in den Text eingestreuten Abbildungen,
welche auf sorgfältigen Aufnahmen des Baumeisters
Busch beruhen, liefert der Verfasser die »Entstehungs-
geschichte des Bauwerkes«, die »Baubeschreibung«,
eine Darlegung der »späteren Schicksale des Bau-
werkes und der beabsichtigten Wiederherstellung«. Die
durchaus gründliche und ergebnifsreiche Auseinander-
setzung ist sehr geeignet, das Interesse für dieses un-
gemein eigenartige und hervorragende Bauwerk zu
steigern, für dessen Herstellung ein ganz verständiger
Plan vorliegt und hoffentlich viele opferwillige Hände
sich öffnen werden. g
 
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