Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0122

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
205

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

206

Malerei nicht unwillkommen sein wird und viel-
leicht zu einer photographischen Aufnahme führt.
Ueber dem Altar an der Nordseite:

1. Maria mit dem Jesuskinde, an den Seiten zwei
heilige Frauen; in dem Hintergrund: ein
Kunstgarten, dahinter stattliche blanke Häu-
ser mit Treppengiebeln, der bekannte Weiher
mit Schwänen. Ein Bild von sehr heller
Haltung.

2. Maria dem Kinde die Brust reichend; sie
trägt ein Brokatkleid und einen rothen Mantel,
die Züge von besonders reinen und edlen
Linien. Sie sitzt vor einer Halle mit sechs
Säulen. (Orientalischer Mäanderteppich.)

3. Die Geburt, Nachtstück. Joseph mit der
Kerze, zwei Engelkinder das Jesulein von
oben verehrungsvoll betrachtend.

4. Johannes der Täufer, Kniestück, sitzend, mit
dem Lamm in den Armen, er hat dunkle
Augen und Haare.

Ueber dem Altar der Südseite:

5. Maria gefolgt von Johannes und heiligen
Frauen, Halbfiguren, sehr schön; überein-
stimmend mit dem Schulbild in der Pina-
kothek zu München Nr. 123.

6. Die Kreuzabnahme, Fragment des oberen
Theils.

7. Die Pietas, Maria den vor ihr aufrecht sitzen-
den Heiland umfassend.

8. Die Klage: in der Mitte Maria, links Jo-
hannes, rechts ein Greis.

Von anderer, aber ebenfalls niederländischer
Hand ist eine sehr schön und hell gemalte Ver-
kündigung, und vielleicht auch ein heil. Hiero-
nymus, sich kasteiend, in weiter Landschaft.

Die Gegenstände der Bilder spanischer Schule
sind folgende: Das Gebet im Garten, Der Judas-
kufs, Ecce Homo, Die Kreuzigung, Der Heiland
im offenen Sarkophag, Noli me Tangere, Jo-
hannes der Evangelist mit dem Kelch, S. An-
dreas, Die Messe des heiligen Gregor, S. Lucia,
ein Heiliger, zu dessen Füfsen man einen teuf-
lischen Kopf sieht. —

Wie mögen die Bilder zu dieser seltsamen
Aufstellung gekommen sein? Um diese Frage
zu beantworten, mufs ich um die Erlaubnifs
bitten, etwas in die Entstehungsgeschichte der
Kapelle zurückgreifen zu dürfen.

Die Capilla Real war von Ferdinand und
Isabella als Grabstätte für sich und ihre Nach-
folger gegründet worden, die carta de funda-
cion ist datirt vom 13. September 1504. Die

Königin starb wenige Monate darauf (am 26. No-
vember); ihre Reste wurden sogleich nach Gra-
nada übergeführt und vorläufig in S. Francisco
auf der Alhambra beigesetzt. Das Jahr der
Grundsteinlegung ist noch nicht vollkommen
sicher ermittelt; erst 1525 (das Jahr der Voll-
endung) sind die Bleisärge beider Gatten in das
Gruftgewölbe gebracht worden. Den Bau leitete
der maestro mayor der Kathedrale von Toledo,
Enrique de Egas, Sohn und Nachfolger jenes
Anequin (Hanneken) aus Brüssel, der sich in
dem „Löwenportal" an der Südseite des Domes
von Toledo ein Denkmal gesetzt hat. Meister
Enrique ist bekannt als der erste spanische
Architekt, welcher in Kollegien, Hospitälern,
besonders deren Fassaden und Portalen, die
Ornamentik der Renaissance anwandte; aber in
Kirchenbauten, wie in unserem Fall, blieb er
dem Spitzbogenstil treu, in dessen letzter Form,
welche die Prachtliebe und den ritterlichen Geist
dieser thatenreichen Zeit so ausdrucksvoll ver-
gegenwärtigt.

Ein humanistischer Staatsmann Italiens nannte
die Capilla Real einen „schönen Bau, der eher
eine kleine Kirche als eine Kapelle zu heifsen
verdiene". Karl V. freilich sprach sich unzu-
frieden aus: sie sei „ein zu enges Grab für die
Gröfse seiner Voreltern". (Sie hat 49,86 m
Länge, 21,73 m Breite und 20,89 m Höhe im
Lichten.) Wir dürfen allerdings behaupten, ohne
dem Baumeister zu nahe zu treten, dafs sie an-
ders ausgesehen haben würde, wenn sie unter
den Augen Isabella d. Kathol. errichtet worden
wäre. Und dieses ist keine müfsige Vermuthung.

Viele Jahre vorher nämlich, als man noch
nicht an die Eroberung Granada's dachte, hatten
die Herrscher sich ein viel gröfseres Heiligthum
derselben Bestimmung errichtet: San Juan de los
Reyes in Toledo. Dieses geschah unmittelbar
nach dem für die Befestigung ihres Thrones ent-
scheidenden Sieg über den König Alfons von
Portugal, in der Schlacht bei Toro (1476). Dieser
Bau, eine Schöpfung des Toledaners Juan Guas,
ist eines der reichsten und eindruckmächtig-
sten Kircheninneren des Jahrhunderts, besonders
durch den das Ganze beherrschenden Crucero
mit der Kuppel (cimborio). Dessen Dimen-
sionen im Verhältnifs zu den angrenzenden
Theilen, besonders dem Altarhaus, die Pracht
der bildnerischen Ausstattung, in der grofse
Heiligenstatuen, Embleme, Wappen, Pracht-ln-
| Schriften sich mit der malerischen spätgothi-
 
Annotationen