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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0127

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215

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

216

Einfache Kirchenbauten.

Mit 9 Abbildungen.

it der Veröffentlichung nachstehen-
der Skizzen folge ich einem Wunsche
des hochverehrten Herausgebers die-
ser Zeitschrift, welcher dieselben vor
Kurzem zufällig bei mir gesehen hat. Ich gebe
die Entwürfe so, wie sie sich in meiner Mappe
befinden, und mit der ausdrücklichen Bemer-
kung, dafs sie nicht für diese Veröffentlichung,
sondern für die praktische Ausführung entwor-
fen und gezeichnet wurden, jeder für einen kon-
kreten Fall unter besonderen Verhältnissen und
Ansprüchen. Auch sollen dieselben keineswegs
als vollendete Vorbilder gelten; als Versuch,
bei einfachster Formgebung, hauptsächlich durch
die Anlage und Verhältnisse dem Bauwerk eine
seinem Zweck entsprechende und malerische
Erscheinung zu geben, dürften sie jedoch nicht
ganz ohne Interesse sein.

Es ist durchaus nicht so einfach, das Ent-
werfen von einfachen Kirchen, wie es sich an-
sieht; man mufs nur einmal anfangen, eine der
so malerischen mittelalterlichen Landkirchen auf
den modernen konkreten Fall zu übertragen,
dann erheben sich auch schon Schwierigkeiten
mannigfacher Art. Unserer Zeit ist vor allen
Dingen die naive Auffassungs- und Denkweise
des Mittelalters abhanden gekommen; wir sind
zu sehr mit Ansprüchen, und meistens mit An-
sprüchen rein äufserlicher Art überladen. Da
mufs ein jedes Kirchlein, und sei es noch so
arm und klein, seine drei Altäre, womöglich
auch dementsprechend drei Chöre haben, sei-
nen Sängerchor, Glockenthurm, sein Querschiff,
Mafswerkfenster u. s. w. und es braucht nicht
einmal hoch herzugehen, dann werden auch
schon ein Hochschiff, ein Kapellenkranz, kurz
Alles das verlangt, was im Mittelalter nicht ein-
mal jede Kathedrale aufzuweisen hatte. Und in
solchen Vorurtheilen sind vielfach nicht nur die
Laien, sondern auch die Geistlichen befangen.
Es liegt dem ja ein guter und frommer Gedanke
zu Grunde, nämlich, dem Herrn ein möglichst
schönes und würdiges Haus zu bauen; man
vergifst dabei aber, dafs Jedes nur in seiner Art
schön sein kann und dafs, was sich für den
Palast geziemt, deshalb nicht auch für das Bür-
gerhaus geeignet ist. Kommt nun der Archi-
tekt mit dem Plane zu einem einfachen, ent-
sprechenden Kirchlein, ja, da fehlt Alles, was

die Leute erwartet hatten; nicht einmal ein
Querschiff zeigt der Entwurf! Die Folge ist
dann im günstigen Falle die, dafs an demselben
so lange herumgeändert wird, bis er alle ge-
nannten „Erfordernisse der Neuzeit" aufweist;
nicht selten aber wird auch ein anderer Archi-
tekt genommen, der dieselben „besser versteht",
und der dann meistens mit einer unpraktischen
und unschönen Kirche die Gemeinde in zweck-
lose Schulden stürzt.

Ich habe vor einiger Zeit eine Kirche am
Rheine gebaut, zu welcher ich erst gerufen
wurde, als die Fundamente bereits gelegt und
allerlei Schwierigkeiten entstanden waren. Die
Gemeinde des kleinen malerisch gelegenen Dor-
fes zählt 600 Seelen und hat keine Aussicht,
sich jemals wesentlich zu vergröfsern. Man
hätte da an die Stelle der alten abgebrannten
Kirche für den Betrag von 50 bis 60 000 Mark,
der leicht aufzubringen war, ein vollkommen
entsprechendes und malerisches Kirchlein, so-
gar noch mit einigem Luxus, bauen können.
Anstatt dessen hatte man, von vornherein schon
übel berathen, den alten Kirchplatz verlassen
und mit vieler Mühe einen neuen Bauplatz in
den Berg hineingebrochen, der hoch über dem
Orte liegt und nicht ohne Mühe zu erklettern
ist. Die auf diesem Platze bereits ausgeführten
Fundamente aber entsprachen einer gröfseren
dreischiffigen Kirche mit Westthurm, Querschiff-
und ausgebildeter Chor-Anlage, grofs genug für
eine Gemeinde bis zu 1500 Seelen. Ich gab
mir redliche Mühe, Pfarrer und Kirchenvorstand
von ihrem Vorhaben abzubringen und zur Aus-
führung einer kleineren, entsprechenden Kirche
zu bewegen, indem ich hauptsächlich auf die
unerschwinglichen Kosten hinwies, welche bei
dem grofsen Bau über 100000 Mark betragen
würden, — umsonst. Das Einzige, was ich er-
reichte, war eine Vereinfachung der Chor-Anlage.
Die Kirche wurde nach der grofsen Grundrifs-
Anlage gebaut, die Gemeinde stürzte sich tief
in Schulden, und der Vorübergehende begreift
nicht, was die grofse Kirche über dem kleinen
Orte soll. Aber heute noch — man sollte es
nicht glauben — trägt der betreffende Geistliche
es mir übel nach, dafs ich der Kirche, aufser
dem mächtigen Westthurm und dem Dachreiter
auf der Vierung, — nicht noch zwei gröfsere
 
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