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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0148

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255

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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600 Plätze (Steh- und Sitzplätze); die Kirche
genügt also einer Gemeinde von 1000 Seelen.
Die Kosten betragen bei 395 qm bebauter
Grundfläche einschliefslich Thurm 50000 Mark.

Die eingebauten Strebepfeiler sind bei
Geistlichen und Laien häufig noch ein Stein des
Anstofses, meistens aus Vorurtheil. Es ergeht
denselben nicht besser, als den zweischiffigen
Kirchen, und doch sind die letzteren in manchen
Fällen so aufserordentlich praktisch; aber wegen
der gegen sie herrschenden Voreingenommen-
heit — man befürchtet, ganz mit Unrecht, die
Mittelsäulen verdeckten den Altar — kommen
sie so selten, fast nie zur Ausführung. Ueber
die zweischiffigen Kirchen ein anderes Mal, hier
nur Einiges über die eingebauten Strebepfeiler.

Es wird vielfach behauptet, dieselben mach-
ten in Folge des vielen Mauerwerkes die Kirche
kalt und unfreundlich. Im späteren Mittelalter
kommen die eingebauten Strebepfeiler recht
häufig vor, den vorerwähnten Mifsstand habe
ich aber in solchen Kirchen nicht vorgefunden.
Dagegen hat diese Anordnung manchen Vor-
theil, vor allem den der gröfseren Billigkeit,
besonders bei einschiffigen Kirchen. Nehmen
wir das vorliegende Beispiel: das Schiff hat
zwischen den Pfeilern 8 m Spannung, zwischen
den Mauern 10 m. Bei einer Gewölbespannung
von 8 m gibt eine innere lichte Höhe von
10 m, welcher eine Höhe der Schiffsmauern
von 10,3 m entspricht, ein zwar bescheidenes
doch immer noch gutes Verhältnifs, während
zur Erreichung desselben guten Verhältnisses
bei einer Spannung von 10 m die Innenhöhe
mindestens 14 in und die Höhe der Schiffs-
mauern 14,30 m betragen müfsten. Das ist also
ein Unterschied von 4 in Gebäudehöhe und
ein ganz erheblicher Unterschied in Bezug auf
den Kostenpunkt, dem gegenüber der Ausfall
des Raumes, welchen die eingebauten Strebe-
pfeiler im Innern einnehmen und welcher in
unserer Skizze nur etwa 6 qm beträgt, nicht in
die Wagschale fällt. Zum Zweiten sind die
Nischen, welche die eingebauten Pfeiler an den
Wänden bilden, aufserordentlich praktisch zur
Aufstellung von Beichtstühlen und Seitenaltären,
und geben dem Inneren ohne Zweifel eine
schönere Gliederung, als die glatten Mauer-
flächen.

Noch möchte ich ein Wort für die in Stein
gewölbten Emporen einlegen. Man findet in
den neueren mittleren und kleineren Kirchen

so häufig, fast ausnahmslos, in Holz gebaute
Emporen, welche denselben in den seltensten
Fällen zur Zierde gereichen. Ich erinnere mich
nicht, eine solche Empore aus gothischer Zeit
gesehen zu haben, wohl aber haben viele, ro-
manische wie gothische, namentlich spätgothi-
sche Kirchen aus Stein konstruirte Emporen.
Auch hier ist es wieder der Kostenpunkt, der
gegen die Ausführung in Stein in's Vordertreffen
geführt wird. Nun ist ja nicht zu leugnen, dafs
die erste Ausführungssumme für die Stein-Em-
pore höher sein wird, als für eine gleich grofse
Holz-Empore. Bei genauer Berechnung und
sachgemäfser Ausführung der ersteren ist dieser
Mehrbetrag aber keineswegs bedeutend, und ver-
schwindet in Folge der Mehrkosten der Unter-
haltung der Holz-Empore auf die Dauer ganz
und gar. Dafür ist aber die Stein-Empore un-
gleich stilvoller und monumentaler. Ich habe
bei allen meinen Kirchenbauten in den letzten
10 Jahren, auch den einfachsten, die Stein-
Empore eingeführt, ohne merkliche Erhöhung
der Baukosten, aber meinen Auftraggebern und
mir zur grofsen Freude.

Das Baumaterial betreffend, sind die hier
vorgeführten drei Skizzen in Backstein-Mauer-
werk mit Werkstein-Architektur projektirt, die
Dächer in Holzkonstruktion mit Schieferdeckung.
Die Wahl des Baumaterials ist wichtig für den
Charakter und die Erscheinung des Bauwerkes,
so wichtig wie die Wahl des Planes und des
Baustiles. Das gilt besonders von den Mauer-
steinen. Es ist nicht gleichgültig, wie vielfach
angenommen wird, ob ein Plan in Bruchstein-
oder Backstein-Mauerwerk ausgeführt wird, oder
ob man in einer bestimmten Gegend in Bruch-
stein oder Backstein baut. Im Allgemeinen
sollte als Grundsatz gelten, dasjenige Material
zu nehmen, welches am Orte oder in dessen Nähe
gewachsen ist, vorausgesetzt, dafs es die erfor-
derlichen Eigenschaften besitzt. So thöricht es
sein würde, in einer an natürlichen Bausteinen
armen Gegend, in welcher der Backsteinbau
üblich und ausgebildet ist, die ersteren mit vielen
Kosten als Baumaterial zu beziehen, ebenso un-
richtig wäre es, dort, wo natürliche Bausteine
vorhanden sind, die künstlichen zu verwenden.
Wir leben freilich unter der Herrschaft des Back-
steinbaues, eine Folge unserer erfindungsreichen,
schnelllebigen und das Ideale über das rein
Praktische vielfach vergessenden Zeit. Die Ein-
wirkung dieser Herrschaft auf die künstlerische
 
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