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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0157

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269

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

270

Die Beuroner Malerschule.1)

enn man bedenkt, dafs die kirchliche
Kunst des Mittelalters vornehmlich
aus den Klöstern hervorgegangen
ist, in ihnen Pflege und Förderung
gefunden hat, dann kann man es nur bedauern,
dafs sie schon seit Jahrhunderten aufgehört haben,
einen mafsgeblichen Einflufs auf dieselbe aus-
zuüben. Wegen ihres innerlichen Lebens, wegen
ihrer beständigen Pflege des liturgischen Gottes-
dienstes, wegen ihrer eingehenden Beschäftigung
mit der hl. Schrift und dem Leben der Heiligen
waren sie besonders berufen und geeignet, für
die Ausstattung der gottesdienstlichen Räume
die Ideen anzugeben, die Bilderkreise zusammen-
zustellen. Die Formen aber, in welchen diese
zur Darstellung gelangen sollten, ergaben sich
ihnen aus den ihnen überlieferten Kunstschätzen,
deren Hüter sie waren, und aus dem Geiste, in
welchem sie dieselben zu verwerthen und um-
zugestalten vermochten. So lange daher die
Klöster ihren Einflufs auf die kirchliche Kunst
behaupteten, erschien dieselbe als der Ausdruck
ihres ganzen übernatürlichen Denkens, Lebens,
Wandeins. Als aber dieser Einflufs aufhörte, als
viele Klöster sich selber aufzugeben anfingen
oder von ihren Zeitgenossen aufgegeben bezw.
ihrer beschaulichen Thätigkeit entrissen und auf
rein praktische Ziele beschränkt wurden, da
kam allmählich auch der kirchlichen Kunst ihr
tieferer Gehalt abhanden, sie wurde immer ober-
flächlicher, um zuletzt zu verweltlichen und zu
versinken. Als endlich der kirchliche Geist
wieder anfing sich zu regen, als die Klöster
wieder begannen, sich zu entfalten und zu be-
völkern, da trat auch die kirchliche Kunst
wieder in ihre Rechte. Nur schüchtern konnte
das eine oder andere Kloster versuchen, an die
alten Traditionen wieder anzuknüpfen, denn die
Fäden waren vollständig abgerissen und die
ganze Wirksamkeit wurde fast ausschliefslich
absorbirt durch die noch viel wichtigere Wieder-
aufrichtung des christlichen Lebens und durch

J) Denselben Gegenstand, wie diese kleine, schon
im Mai dieses Jahres gedruckte Studie, behandelt unter
derselben Ueberschrift ein eingehender, höchst geist-
reicher und formgewandter Aufsatz von Prof. Keppler
in den »Historisch-politischen Blättern» Heft V und VI.
Die Lektüre dieses ungemein anregenden und lehr-
reichen Artikels wird das Interesse für die eigenthüm-
liche, bisher wenig gewürdigte Kunstrichtung in hohem
Mafse fördern.

die gesteigerten Bedürfnisse der praktischen
Seelsorge. Kaum hatten die Klöster auch hier
wieder sich bewährt in ihrer unverwüstlichen
Lebenskraft, kaufn hatten sie angefangen, auch
der Wissenschaft und Kunst im Sinne ihrer alten
Ueberlieferungen sich wieder zu widmen, als
ihnen fast allerorts die Lebensadern wieder
unterbunden wurden. Noch nicht ganz über-
wunden, aber wesentlich gemildert ist diese
Prüfung. Auch auf dem Gebiete der Kunst
könnten daher von denjenigen Orden, die nicht
vollständig durch die Ausfüllung der gewaltigen
seelsorglichen Lücken in Anspruch genommen
sind, einige nunmehr sich berufen erachten, ihre
Kräfte zu versuchen.

Von Seiten der deutschen Benediktiner
ist dieser Versuch längst gemacht worden und
ihre erste deutsche Niederlassung, das Kloster
Beuron bei Sigmaringen, ist der Ausgangs-
punkt einer künstlerischen Bewegung geworden,
die sich vornehmlich in der Malerei, haupt-
sächlich in der Wandmalerei bethätigt, aber
eine eigenartige Gestaltung angenommen hat,
welche eine etwas eingehendere Prüfung verdient.

Der Wunsch, das Bedürfnifs, die Kloster-
kirche, -Säle, -Gänge, also zunächst nur die
eigenen Räume, mit zur Seele redenden, das
Gemüth erhebenden Darstellungen ausgestattet
zu sehen, hat ohne Zweifel die erste Anregung
zu diesen Versuchen gegeben. Der glückliche
Umstand, dafs mehrere Ordensgenossen, nament-
lich die Patres Gabriel Wäger und Desi-
derius Lenz vor ihrem Eintritte ins Kloster
schon eine lange Laufbahn künstlerischen Wir-
kens durchgemacht hatten, ermunterte, ja drängte
zum sofortigen Beginn. Beide hatten in München
ihren ersten Kunstunterricht genossen, beide die
Nürnberger Werkstätten besucht, beide in Rom
ihre Ausbildung vervollständigt, beide auch in
weiterer Umschau von den verschiedenen Wegen
Kenntnifs genommen, auf welchen begeisterte
Männer in Frankreich, Belgien, Deutschland die
tief gesunkene kirchliche Kunst zu regeneriren
beflissen waren. So verlockend für die beiden
braven, von kirchlichem Geiste durchaus er-
füllten Künstler die Parole des engsten An-
schlusses an die mittelalterlichen Vorbilder, die
schon lange ertönte, auch war, sie vermochten
sich dennoch auf die Dauer nicht recht mit ihr
zu befreunden, sei es, weil sie dieselbe in der
 
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