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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0182

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317

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

318

austheilt, welche sich dem siebenfachen Gnaden-
quell der Sakramente nahen. Durch sie wird
es den Gläubigen möglich sein, unter dem Wal-
ten der himmlischen Vorsehung in ihrem Innern
Tempel Gottes zu errichten, und so Bausteine
zu werden an jenem grofsen Tempel, dessen
Eckstein der Eingeborene des Vaters selbst ist.
3. Dieser Gedanke ist des Weiteren ent-
wickelt in der nun anschliefsenden Gruppe von
sechs Apostelfiguren mit folgenden Inschriften
auf den Spruchbändern:

a. Accedentes ad lapidem vivum, ab hominibus
(quidem) reprobalam, a Deo (autem) electum,
(et honorificatum): et ipsi tamquam lapides
vivi superaedificamini. [I. Petri II, 4, 5.]
„Nahet euch ihm, dem lebendigen Steine,
der zwar von den Menschen verworfen, von
Gott aber auserwählt und zu Ehren gebracht
worden ist, und baut euch selbst als leben-
dige Steine auf."

b. Non estis hospites et advcnae, sed eslis cives
sanctorum et domeslici Dei, superaedificati
super fundamentum apostolorum et prophe-
tarum, ipso summo angulari lapide Christo
Jesu. [Ephes. II, 19, 20.] „Also seid ihr
nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern
ihr seid Mitbürger der Heiligen und Haus-
genossen Gottes, erbaut auf der Grund feste
der Apostel und Propheten, während Jesus
Christus selbst Haupteckstein ist."

c. Anttquam convenirent, inventa est in utero
habens (de spiritu sancto). [Matth. I, 18.]
„Es fand sich, bevor sie zusammenkamen,
dafs sie empfangen hatte vom hl. Geiste."8)

//. (Et) de plenitudine ejus nos omnes accepi-
mus graciavi pro gracia. [Joh. 1,16.1 „Und
von seiner Fülle haben wir Alle empfangen,
Gnade über Gnade."

e. (Et Jesus) proficiebal sapieniia, et aetate, et
gracia apudDeum, et homines. [Luc. II, 52.1
„Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter
und Gnade bei Gott und den Menschen."

/. Ecce positus est hie in ruinam, et (in) resur-
rectionan multorum (in Israel,. Luc. 2, 34/
„Dieser ist gesetzt zum Falle und zur Auf-
erstehung Vieler in Israel."
Der leitende Gedanke der Darstellung ist
wohl folgender:

«) Der Dom zu Hildesheim ist der Mutler Gottes
geweiht; es lag deshalb dem Meister des Bildercyjdus
nahe, in beiden Theilen desselben auf sie, den Ursprung
Christi, unseres Erlösers, hinzuweisen.

Durch die Zugehörigkeit zur Kirche, deren
Eckstein Christus selbst ist, und in dem ernst-
lichen Bestreben ihm nachzufolgen, wird bei
den Gläubigen der Grund zur dereinstigen Selig-
keit gelegt, und ihnen Gnade auf Gnade er-
wirkt. Wie der hl, Geist Christum im Schoofse
Maria erzeugte, so wird die Gnade Gottes
Ebenbilder seines Sohnes in unserem Inneren
erschaffen. Ist doch unsere Heiligung auch eine
Neugeburt, vergleichbar der Menschwerdung des
Eingeborenen. Ihm ähnlich, aus seinen Gna-
den wiedergeboren zu werden, ihm als Führer
auf dem Pfade der Vollkommenheit zu folgen,
das ist unsere Pflicht. Und wie bei Christus,
obwohl als Gott unendlich heilig und voll-
kommen, dennoch in der äufseren menschlichen
Erscheinung ein Wachsthum an Weisheit und
Gnade sich kund that, so sollen auch wir, theil-
haftig geworden der Kindschaft Gottes, nach
stetem Wachsthum in der Gnade streben. Dies
ist nur möglich, wenn wir lebendige Steine an
dem einen Tempel Gottes, der Kirche, Glieder
seines mystischen Leibes sind. Wer aber der
Kirche, der Grundfeste der Wahrheit, fernbleibt,
und ihren göttlichen Stifter nicht ehrt, dem ist
nicht Segen, sondern Verderben, nicht die Auf-
erstehung zum Leben, sondern der Sturz zur
Hölle beschieden.

Was das letzte Spruchband besagt, wird in
den zwei kleineren unteren Darstellungen vor-
bildlich zur Anschauung gebracht.

Dieselben haben die Zerstörung Jerusalems
nach Ezech. IX, 2 bis 7 zum Gegenstande. Wir
erblicken in dem einen Bilde die sechs zur Voll-
streckung des Strafurtheils bestimmten Diener
Gottes, durch das Stadtthor einziehend. Sie
sind bekleidet mit kurzen weifsen Leibröcken,
Mänteln von abwechselnd rother, grüner und
schwarzer Farbe; das Haupt deckt der Spitzhut,
die Hand hält die Mordwaffe.

Durch die Kriegergruppe hindurch zog sich
ein Mauerrifs, so dafs von der weifsgekleideten
Figur, welche den Mittelpunkt der Darstellung
bildete, und dem Spruchbande nur ein Theil noch
erhalten war. Die untere Inschrift lautete: syin-
bolum hierarchicum, das Bruchstück der oberen:
(De), ad eos super quos est T ne appropinquate.
„Gehet hin, aber Denen, welche mit T gezeich-
net sind, nahet nicht."

Vielleicht war der Träger dieses Spruchban-
des ein Engel als Schutzgeist der Auserwählten.
Das / als symbolum hierarchicum!)
 
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