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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0186

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325

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

326

Nachrichten.

Ein neu entdecktes Bild von Lucas
Cranach dem Aeltern.

Als ich vor Kurzem im Verein mit dem dortigen
Probste Szadowski die zahlreichen Bilder der katho-
lischen Kirche zu Königsberg i. Pr. einer Besichtigung
und Prüfung unterzog, fesselte unsern Blick alsbald ein
hoch an der Wand hängendes alterthümliches Gemälde,
welches durch den eigenartigen Gegenstand der Dar-
stellung, sowie durch sein Kolorit und die technische
Ausführung sofort den Eindruck machte und die Ver-
muthung nahe legte, dafs es ein Bild von Lucas
Cranach dem Aeltern sein müsse. Eine nähere
Untersuchung erhob die Vermuthung zur Gewifsheit;
wir haben ein Bild des altern Cranach vor uns, welches
bis jetzt gänzlich unbekannt geblieben ist, wie es denn
auch in den uns zugänglichen Schriften über den „Maler
der Reformation" nirgends erwähnt wird. Das Bild
'st auf einer Holztafel von 75 cm Höhe und 50 cm
Breite mit fast miniaturartiger Feinheit und Zartheit
gemalt, namentlich in der Karnation und Ausführung
der Gewänder ganz vortrefflich. Dem Gegenstande
nach gehört es zu den nicht gerade seilen vorkommen-
den Reformationsbildern des Meisters, dazu bestimmt,
der dogmatischen Anschauung Luthers von dei Recht-
fertigung ,,durch den Glauben im Blute Christi" künst-
lerischen Ausdruck zu geben. Es zeigt uns einen ganzen
Cyklus von Darstellungen, beherrscht durch den Ge-
danken des Gegensatzes von Gesetz und Evangelium.
So ist denn das Bild durch einen Baum, auf dessen
Stamm das Wappen des L. Cranach, eine geflügelte
Schlange mit Krone auf dem Haupte und einem Ring-
lein im Munde, und die Jahreszahl 1532, in zwei Ab-
theilungen geschieden. Links oben sieht man den Hei-
land in rothem, schwarz schattirlem Gewände, sitzend
auf der Weltkugel, umgeben von Wolken, aus welchen
elf Engelsköpfe herausschauen, aufserdem zwei Engel mit
Posaunen, die Engel des Gerichts. Etwas tiefer daneben
der Sundenfall. Adam und Eva, nackt, aber decent,
stehen unter einem Baume. Eva reicht den Apfel, den
sie eben von der Schlange empfangen, dem Adam hin.
Die Inschrift darüber bezieht sich wohl auf beide Dar-
stellungen: Ro. 1. Es wird offenbart gottes zorn vom
himmel über aller menschen gottlos wesen und unrecht.

Links unten ist die Hölle mit Teufeln und Verwor-
fenen dargestellt, darunter: Es sind alle zumal Sündern
und mangeln das sie sich Gottes nicht rhümen mügenn.
Ro. 8. Tod und Teufel treiben Adam in die Hölle.
Erläutert wird dieses Bild durch die darunter gesetzten
Schriftstellen: Die Sünde ist des Todes spies. Aber das
Gesetz ist der Sünden kraft. 1. Cor. 15, und: Das Gesetz
richtet zorn an. Ro. 1. Daneben Moses, auf die Ge-
setzestafel weisend, vor ihm drei Männer, gewifs Pro-
pheten. Die Unterschrift lautet: Durchs gesetz kommt

erkenntnus der sündenn. Ro. 3. Das gesetz und die
Propheten gehen bis auff Johannes zeit. Math. 11.

Die zweite Abtheilung stellt dem Gesetze das Evan-
gelium gegenüber. Oben links in einer Landschaft
mit Bergen, Zelten, Heerde und Hirt kniet Maria.
Leber ihr in Wolken ein Engel, von welchem ein
Strahl auf die zu ihm emporschauende Jungfrau ausgeht
— die Verkündigung der Geburt Jesu, wie auch ein
Spruch daneben erläutert: Isaia 7. Der Herr wirdt
euch selbst ein zeichen geben. Siehe ein jungfraw
wirdt Schwanger sein und einen son geperen.

In der Mittelparthie erhebt sich auf einem Berge
das Kreuz, aus rohen Stämmen gezimmert, mit dem
sterbenden Heilande. Darunter steht Johannes der
Täufer mit einem Manne (Adam). Er hält des letztern
linken Arm und weist mit der erhobenen Rechten auf
den Gekreuzigten hin, aus dessen Seitenwunde — be-
kanntlich ein Lieblingsgedanke Cranachs — ein Strahl
des Blutes unmittelbar in das Herz des Adam herab-
fliefst. Folgende Unterschriften geben die dogmatische
Deutung dieses Bildes: Der gerecht lebt seines glaubens.
Ro. 1. Wyr halten das eyn mensch gerecht werde durch
den glauben on wergk des gesetzes. Ro. 3. Sihe das
ist gottes lamp das der weit Sünde tragt. S.Joh. Bapt.
Jo 1. In der heyligung des geysls zum gehorsam und
besprengung des blutes Jesu Christi. 1. Petr. 1.

Eine Gruppe rechts von der Kreuzigung stellt den
aus dem Grabe eben auferstehenden Heiland dar, wie
er, die Siegesfahne in der Hand, über Tod und Teufel
triumphirt, wie auch die Ueberschrift besagt: Der tod
ist verschlungen ym sieg. Tod wo ist deyn spies:
helle wo ist dein sieg. Dangk habe Gott, der uns
den sieg gibt durch Jesum Christum unsern Herrn.
I. Cor. 15.

Den Abschlufs des ganzen Cyklus bildet die Himmel-
fahrt Christi, oben rechts in der Ecke. Auf Wolken,
in denen Engelsköpfe sichtbar, schwebt Christus empor,
von dem jedoch im Bilde nur die Füfse sichtbar sind.
Ein ganz ähnliches Bild Cranachs findet sich im
Museum zu Weimar und Repliken davon aus dem
Jahre 1529 in der Galerie zu Gotha und in dem Ru-
dolphinum zu Prag, dann in zwei Darstellungen ge-
trennt — Sündenfall und Erlösung — im Germanischen
Museum zu Nürnberg. (Vgl. Janitschek »Geschichte
der deutschen Malerei« S. 498.) Ob unser Bild viel-
leicht auch nur eine Replik des Weimarer Bildes ist,
habe ich nicht feststellen können, da Anfragen an
die Direktion des Museums und einen Privaten bis jetzt
ohne Antwort geblieben sind. — Da das Cranach'sche
Bild seinem Gegenstande nach sich wenig für eine
katholische Kirche eignet, wird es jedenfalls zum Ver-
kauf gestellt werden. Wo findet sich ein Käufer, der
bereit wäre, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen ?
Braunsberg (Ostpr.) Prof. Dr. Dittrich.
 
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