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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0202

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355

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 11.

356

Elfenbein-Relief des XIV. Jahrh. im Musee Cluny zu Paris.

Mit Abbildung.

Eine reiche Auswahl hervorragender Gebilde
aus den ersten christlichen Jahrhunderten bis in
die neue Zeit bietet das Musee Cluny auch auf
dem Gebiete der
Elfenbein -Skulp-
turen. So vortreff-
lich aber auch die
altchristliche, die
byzantinische und
romanischeKunst-
richtung in ihnen
vertreten ist, an
Zahl wie an Be-
deutung werden
sie weit übertrof-
fen von den Er-
zeugnissen der go-
thischen Plastik.
Dafs diese zum
allergröfsten Theil
zugleich französi-
schen Ursprunges
sind, kann nicht
auffallen, da ge-
rade in der gothi-
schen Periode, be-
sonders im XIV.
Jahrh., die fran-
zösischen Elfen-
beinschnitzer eine

ebenso grofse
Fruchtbarkeit wie
Virtuosität entfal-
tet haben. Was sich
namentlich an Re-
liefs, an Diptychen
und Triptychen
(mit vorwiegend
religiösen), an Me-
daillons (mit meist
profanen Darstel-
lungen) erhalten hat, ist so zahlreich und vielfach
auch so vorzüglich, dafs die kleine Plastik gerade
darin ihre höchsten Triumphe gefeiert hat.

Zu dem Allerschönsten, was sie hervorge- !
bracht hat, zählt das hier abgebildete Hoch- !
relief der hl. Katharina, welches 19 cm
hoch, 11 cm breit, 5 cm dick ist und der ersten
Hälfte des XIV. Jahrh. angehört. Das Ganze

ist aus einem Stück Elfenbein geschnitzt, das
Sedile in Mafswerk-Durchbrechungen, welche
auch der nur noch in den Ansätzen vorhandene

scheibenförmige
Nimbus zeigt. Die
Heilige trägt als

Prinzessin eine
Krone und weist
mit ihrer rechten
Hand auf ihr Mar-
terinstrument, das

gezahnte Rad,
während ihr Fufs
auf ihren Peiniger,
Kaiser Maximin,
tritt, der überwun-
den vor ihr liegt,
Leidenschaft und
Elend zugleich in
dem wunderbar
charakterisirten
Kopf meisterhaft
versinnbildend.

Ueberaus vor-
nehm, so sittsam
wie grofsartig ist
die Haltung der

Heiligen. Ihr
scharf geschnitte-
nes, von derben
Lockensträhnen
eingefafstes Ant-
litz erinnert an
antike Schönheit,
die vornehmlich
durch die mandel-
förmigen Augen
etwas moderirt er-
scheint. Ueberaus
züchtig ist der
schlanke Körper
behandelt mit dem eng anschliefsenden Unter-
gewand, über welches sich in unvergleichlicher
Anmuth der faltenreiche Mantel legt, der über
den deutlich markirten Knien in herrlichen Linien
zu einem wunderschönen Schoofse sich drapirt.
Hier ist alles Harmonie und Ebenmafs, und nur
die Hände fallen aus der Rolle, die ja fast bei
allen frühgothischen Figuren die schwächste Par-
 
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