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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0103

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141

1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

142

Massys' Vorlage zu erklären; der „Meister v.
T. M." hat eher zu nervös bewegte Finger. In
ihrem Kopf ist noch der Ernst des Massys
durchzufühlen, jedoch gemildert durch die dem
Kölner Meister eigenthümliche Freundlichkeit,
welche sich zuweilen sogar in ein leicht grin-
sendes Lächeln verirrt (wie bei der hl. Familie
in Brüssel und dem Altärchen in Berlin). Bei
unserem Bilde ergiebt sich aus dieser Mischung
von Ernst und Milde ein sehr anziehender Aus-
druck bei der Maria.

Das Kind gehört dagegen ganz dem „Meister
v. T. M." an: im Gegensatz zu den auffallend
tiefsinnigen und dabei in der Körperhaltung
sehr ruhigen Kindern des Massys, die überdies
meist bekleidet sind (alles das noch beim Brüsseler
Sippenaltar), hat es ganz die in Kopfhaltung und
Gliedern unruhige Beweglichkeit der Kinder des
Kölners; auch gleicht der Kopf schlagend dem
auf einigen von seinen Hauptwerken (Wiener
Altar, Neapeler Anbetung, Dresdener kleineres
Bild). Ferner spricht in der technischen Behand-
lung alles für diesen und gegen Massys, von
dessen gleichmäfsig dünnem und glattem Auftrag
sie weit entfernt ist, dagegen ganz die so eigen-
artige Weise des „Meisters v. T. M." zeigt, der
in modernerer Art die Einzelheiten nicht ein-
gehender ausführt, als sie bei richtiger Entfer-
nung des Beschauers wirksam sein können, diese
Einzelheiten durch Aufsetzen scharfer Lichter
aber plastisch heraustretend macht; man beachte
besonders, wie das Messingwerk an den Thron-

pfosten und Prophetenfiguren behandelt ist. Auch
im Fleisch ist die Weise des „Meisters v. T. M."
unverkennbar, weich und doch genügend körper-
lich wirkend.

Dafür, dafs der „Meister v. T. M." Bilder
anderer Maler frei kopirt hat, haben wir mehrere
Belege. Zunächst ein kleines Bild im Louvre
(Nr. 679), worin er das bekannte Brustbild Christi
von Massys in Antwerpen in seine weltlichere
und nervösere Weise frei übersetzt hat (Photo-
graphien beider liegen vor). Dann hat er die
berühmte Kreuzabnahme des Roger van der
Weyden, die früher in Löwen war, in einem
Bilde zu Heytesbury (Waagen »Handbuch« I,
S. 283) und das Abendmahl Lionardo's auf der
Predella des Altarbildes im Louvre frei kopirt.
Von einer in vielen Wiederholungen vorkommen-
den thronenden Madonna, deren beste Exemplare
in Berlin (Nr. 616) und Meiningen sind, und die
man bisher auf Mabuse zurückführte, wird das
Meininger von unserem Meister sein, allerdings
nach einem Vorbild Mabuse's, der wieder einen
Lionardo-Schüler frei nachgebildet hat; das Köl-
ner Museum besitzt eine gute alte Kopie des
Meininger Bildes (Nr. 799; 798 ebendort ist eine
geringe des Berliner, das sich enger an Mabuse
anlehnt). Nichts liegt also meiner Annahme im
Wege, der „Meister v. T. M." habe bei unserem
Bilde wieder eine freie Kopie geliefert, und
zwar nach einem Frühwerke des Massys, was die
Abweichungen von seiner gewöhnlichen Art am
besten erklärt. L. Scheibler.

Zwei silbervergoldete

Mit zwei

ie beiden hier abgebildeten, letzthin
von mir restaurirten gothischen Mon-
stranzen gehören zu den wenigen
Arbeiten, welche auch heute noch
als Vorbilder für eine einfache Monstranz benutzt
werden können. Von den Mängeln, welche
vielen älteren Monstranzen anhaften, zeigen die
beiden vorliegenden Ostensorien nur wenige.
Diese Fehler, welche bezüglich der Gesammt-
wirkung wohl hauptsächlich in der mangelhaften
Entwickelung und Verbindung der Seitenpfeiler
zu suchen sind, lassen sich mit verhältnifsmäfsig
geringen Mitteln mindestens verbessern.

Besonders die auf S. 143/144 abgebildete,
65 cm hohe, der Pfarrkirche von Ohlenberg

gothische Monstranzen.

Abbildungen.

bei Linz gehörende Monstranz, hat sehr magere
Seitenpfeiler, die für eine neue Arbeit unbedingt
besser, breiter und massiger ausgebildet werden
müfsten. Diese Monstranz, welche in ihren Or-
namenten, in der Form und Gravirung des Fufses
und Griffes, der Dekoration des sonst so magern
Gewölbes, in der Glashalbkugel und auch in der
technischen Durchführung ganz und gar auf den
Verfertiger der Monstranz von Ratingen (1394
vollendet) hinweist, verdient eine eingehende
Betrachtung.

Der grofse, reich profilirte und im Grunde
an niederdeutsche und westfälische Formen er-
innernde Fufs ist noch ziemlich hoch getrieben
und sind dessen Flächen mit vorzüglichen O'r-
 
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