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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Justi, Carl: Die Heiligen Maria Magdalena und Agnes von Ribera und Giordano
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0010

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Abhandlungen.

Die Heiligen Maria Magdalena und
Agnes von Ribera und Giordano.

Mit Lichtdruck (Tafel I) und 2 Abbildungen.

JS~*jj|jP^ffi£5|as m der vorliegenden Licht-
drucktafel wiedergegebene Ge-
mäkle (2,20 x 1,74 m), seit
Kurzem im Besitz des Herrn
Dr. G. Martius in Bonn, ist die
Wiederholung eines der ge-
schätztesten Bilder des Valencianers Joseph
Ribera, das, bezeichnet mit seinem Namen und
dem Jahre 1636, jetzt in der Akademie von
S. Fernando zu Madrid auf-
gestellt ist. Viele Theile stim-
men genau mit diesem Origi-
nalwerk, einiges aber hat der
Maler auch verändert oder zu-
gesetzt, und dadurch aus der
Schöpfung seines Vorgängers
sachlich wie malerisch etwas
anderes gemacht.

Das Gemälde in Madrid
stellt die Ekstase der h. Mag-
dalena dar, im Anschlufs an
die spät entstandene, von den
Bollandisten gar nicht berück-
sichtigte Legende von ihrem Leben und Ende
in der Provence. Sie war einst mit ihren Ge-
schwistern Lazarus und Martha, dem Schüler
Jesu Maximin und dem geheilten Blindgebornen
Chelidonius von den Juden in eine Barke ohne
Ruder und Segel gebracht und den Meeres-
wogen preisgegeben worden. Das Fahrzeug aber
fand den Weg in die Bucht von Marsilia, und
diese wunderbare Reise führte zur Verbreitung
des Evangeliums in Südfrankreich. Lazarus wurde
Bischof von Marseille, Magdalena folgte, nachdem
sie den Marseillern gepredigt, ihrem Hang zur Ein-
samkeit und lebte dreifsig Jahre bei Arles in einer
Höhle der Berge. Siebenmal wurde sie zwischen
Tag und Nacht von Engeln in die Lüfte erhoben
und vernahm Gesänge himmlischer Chöre erlöster
Sünder. Man traf sie auch inmitten des Kirchleins,
vonEngeln über den Boden erhoben, betend.1)

') Alonso de Villegas, Flos Sanctorum. Barce-
lona 17fiO, S. 127.

Kopf der heil. Magdalena
von J. Ribera.

Dafs Ribera einen solchen Vorgang im Sinne
hatte, ergibt sich bei näherer Prüfung seiner
Leinwand deutlich. In der Landschaft unten
breitet sich die Bucht von Marseille aus, zur
Rechten der befestigte Hafen. Die Lichtglorie
des hiesigen Bildes fehlt; den Hintergrund der
schwebenden Gestalt bildet das natürliche hell-
blaue Firmament eines südlichen Spätnachmit-
tags, mit golgesäumtem Gewölk über tiefblauen
Hügeln am Rande des Gesichtskreises. Die knie-
ende Stellung, in der die Betende der Zug nach
oben ergriff, hat sie beibehalten, sie ist sich
des Schwebens vielleicht gar nicht bewufst. Sie
trägt keinen Heiligenschein;
ihr Ausdruck endlich ist nicht
der einer den Schranken der
Zeitlichkeit Entrückten, in die
Wohnungen der Seligen Ein-
ziehenden; es ist der tiefe Ernst
der Büfserin, deren irdische
Prüfungszeit noch nicht abge-
laufen ist. Das Antlitz von
melancholischer Schönheit, an
der Grenze der Jugend, ist ver-
härmt, die Augen haben den un-
beweglichen Blick der Schwer-
muth. Diesen Eindruck ver-
Maler durch die Ausbreitung der

stärkt der

dunkeln Iris gegen das WTeifse. Der Mund ist
fest geschlossen, die herabgezogenen Winkel —
wie im Tode — sprechen von der Unerbittlich-
keit ihrer Entsagung. Die Wolke mit den acht
Engelknaben, die Salbgefäfs, Geifsel, Todtenkopf
tragen, in meisterhaft zum Kreis verschlungener
Gruppirung, soll zugleich die Richtung dieser
Zenithbewegung und ihren gegenwärtigen Stand
veranschaulichen.

Wie anders in unserem Bild! Die Gestalt ist
bereits in ein goldenes Lichtmeer eingetaucht,
aus dem von beiden Seiten körperlose Seraphe
entgegenschweben. Marseille da unten und seine
Berge scheint nun für immer entrückt. Der
purpurrothe Mantel (die Farbe der Liebe), links
herabfallend, rechts hoch emporflatternd, bildet
eine Diagonale, die Ober- und Unterwelt scheidet.

Zwar Wendung des Hauptes und Richtung
der Augen sind dieselben geblieben, aber die Züge
 
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