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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Schnütgen, Alexander: Silbergetriebene Reliquienfigur des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0065

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93

1892. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

94

Silbergetriebene Reliquienfigur des XV. Jahrhunderts.

(Mit Abbildung.)

eliquienfiguren (imagines) finden sich
in den mittelalterlichen Schatzver-
zeichnissen sehr häufig erwähnt und
^Sl, in den Heiligthumsbüchern vielfach
abgebildet. Die Reliquie ist gewöhnlich im
Innern der Statuette geborgen, öfters durch eine
Oeffnung auf der Brust erkennbar. Nicht selten
ist sie in dem Sockel, mit
Vorliebe aber in einem eige-
nen auf der Hand ruhenden
oder vor der Brust gehaltenen
Behältnisse untergebracht. Da
die meisten dieser Statuetten
aus Edelmetall gebildet (hohl
gegossen, viel häufiger ge-
trieben) waren, so haben sie
sich in verhältnifsmäfsig sehr
geringer Anzahl erhalten. Ihre
Gröfse variirt in der Regel
zwischen 40 und 80 cm; in
kleineren Dimensionen kom-
men sie selten vor. Deswegen
ist auch das kleine, nur 17 cm
hohe, silbergetriebene Figür-
chen, dessen Abbildung an
dieser Stelle dieBesitzer, Gebr.
Bourgeois in Köln, gestattet
haben, als Seltenheit zu be-
trachten. — Der sechseckige,
in seiner Hohlkehle mit durch-
brochenen Vierpässen ver-
zierte Untersatz, zeigt vorne
ein Täfelchen mit der eingra-
virten und schwarz emaillir-
ten Minuskelinschrift: ymago
bti leonard I i qua dedil berlr J andus ferretclli.
Dieser kleine Sockel trägt die mit der Dalmatika
bekleidete, bis zum Halse aus einem Stücke ge-
triebene Figur, deren Löthnaht sich rückseits
befindet, wie bei dem gleichfalls getriebenen
und in den Rumpf eingelötheten Kopf. Die
gravirten Borten, welche die Dalmatika ver-
zieren und theils aus mit Lilien abwechselndem
Rankenwerk, theils aus Vierpafsblättchen mit
Rosettchen bestehen, sind elegant gezeichnet,
die Falten des Gewandes etwas oberflächlich be-
handelt, wie der scharf geschnittene Kopf. Die
cylinderförmige in \rierpässen durchbrochene

Hülse, welche von den beiden durch Gufs be-
wirkten Händen getragen wird, gliedern vier
Ringe, an denen zwei hier nach unten gekehrte
Handhaben befestigt sind. Sie enthält die Re-
liquie, welche ohne Zweifel in einem Finger
bestand. Dem Reliquienbehälter die Gestalt des
Gliedes zu geben, welches er aufnehmen sollte,
war besonders im Mittelalter
sehr beliebt. Daher das un-
gemein häufige Vorkommen
von Reliquiaren in Form von
Köpfen, Büsten, Armen, das
allerdings viel seltenere Er-
scheinen solcher in Gestalt
von Händen, Fingern, Füfsen,
Kinnladen, Wirbelknochen,
Rippen u.s. w. Gerade an die-
sen eigenthümlichen Gebilden
haben die Goldschmiede ihre
Fertigkeit bewiesen, die Auf-
gaben, die ihnen gestellt wur-
den, in einer der Bestimmung
des Gegenstandes wie der Ei-
genart seines Materials durch-
aus entsprechenden Weise
zu lösen. Die schlichte, und
doch phantasievolle Art, wie
die betr. Form stilisirt, ge-
schmückt, für die Aufstellung
eingerichtet wurde, ist mei-
stens höchst interessant und
lehrreich. — Das allerein-
fachste Mittel, dem Metall
auch durch den Wechsel des
Kolorits Leben zu geben, be-
stand darin, einige Theile des Gegenstandes in
der natürlichen Farbe seines Materials zu be-
lassen, andere hingegen durch Vergoldung aus-
zuzeichnen. Dieses findet sich auch an dem vor-
liegenden P'igürchen angewendet, dessen Haare,
Borten, Cylinder und Sockelprofile vergoldet sind
und mit dem oxydirten Silber in sehr effektvoller
Weise kontrastiren. — Die Heimath des inter-
essanten, des Kostümes wegen etwas gedrungen
erscheinenden Figürchens, dürfte Frankreich sein,
obgleich der Name des Stifters eher auf Italien
hinweist. Als Ursprungszeit desselben wird der
Schlufs des XV. Jahrh. zu betrachten sein.

_________ S c h n U t g e n.
 
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