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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Firmenich-Richartz, Eduard: Christus am Kreuze, Maria und acht Apostel. - Kölnisches Tafelgemälde aus dem Beginne des XV. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0070

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Abhandlungen.

Christus am Kreuze, Maria und acht

Apostel. — Kölnisches Tafelgemälde

aus dem Beginne des XV. Jahrh.

Mit Lichtdruck (Tafel V).

n einer Studie, die ich im vorigen
i Jahrgange dieser Zeitschrift ver-
; öffentlichte, suchte ich u. A. dar-
; zulegen, dafs wir die bisher dem
; Meister Wilhelm beigemessenen
" altkölnischen Gemälde von dem
: Zusammenhange mit dieser so un-
klaren kunsthistorischen Persön-
lichkeit lösen müssen, da dieselben
offenbar erst einer späteren Gene-
ration kölnischer Künstler ihr Da-
sein verdanken. Wenn ich in jenem der Meister-
Wilhelm-Frage gewidmeten Aufsatze die urkund-
lichen Zeugnisse entkräftete, die uns vor einigen
Wandmalereien den Namen „Meister Wilhelm"
vorspiegelten, so schreite ich nur konsequent
fort, wenn ich dem Künstler heute ein Gemälde
mit der gröfsten Bestimmtheit abspreche, das
man sogar für ein eigenhändig bezeichnetes
Meisterwerk Wilhelm von Herle's ansah.

Das ausdrucksreiche Bild des gekreuzigten
Heilandes zwischen Maria und acht Aposteln
(die Fehlenden waren gewifs auf verlorenen
Altarflügeln dargestellt), welches das Wallraf-
Richartz-Museum in Köln bewahrt,1) pflegt in
erster Reihe genannt zu werden, wenn von den
Arbeiten Meister Wilhelms die Rede ist. Im
Nimbus des sich lebhaft zurückwendenden Apo-
stels zur Rechten des Kruzifixus wird nun der
aufmerksame Betrachter hinter der Inschrift:
fanctug : <&i)ama§ : auoftolttg : noch ein Zeichen
gewahren, das man mit einiger Phantasie als ein
MD deutete. Dieser Buchstabe auf einem alt-
kölnischen Bilde durfte aber selbstverständlich
nur das Monogramm Wilhelm von Herle's sein,
und so wurde das Werk denn auch sogleich
auf den Namen des berühmten Meisters getauft.
Es braucht nicht weiter betont zu werden, dafs
es sich bei den räthselhaften Schnörkeln un-
möglich um eine Signatur handeln kann, welche

1) Katalog Nr. 41. Holz: hoch 1,65, breit 2,43 m.

der Maler mitten im Heiligenscheine aufgepflanzt
habe, sondern dafs wir hier nur ein Ornament
vor uns sehen, welches als Lückenbüfser hinter
der Inschrift auftritt und daher buchstabenähn-
liche Formen annimmt. Der profunden Ent-
deckung haben wir es aber doch wahrscheinlich
zum Theil zu verdanken, wenn der Kruzifixus
mit acht Aposteln auch heute noch immer dem-
selben Meister zugewiesen wird, für den man
die Innenseiten des Klarenaltares und die Ma-
donna mit der Bohnenblüthe2) beansprucht.
Zwingende stilistische Gründe, alle drei Werke
zusammen zu geben, existiren meines Bedünkens
nicht. Jm Gegentheil! Unser Kreuzesbild er-
scheint mir nach eingehender Prüfung reifer und
fortgeschrittener in seiner ganzen Kunstweise.
Der Vortrag ist entschieden weicher und ver-
schmolzener, und, sehen wir von einigen feinen
Unterscheidungen der Zeichnung ganz ab, so ist
namentlich auch die Behandlung des Fleisches
eine andere; bei aller durchsichtigen Zartheit ist
das Inkarnat hier frischer in den Schatten wie
jenes der Madonna mit der Bohnenblüthe, wie
denn überhaupt die Farben unseres Bildes leb-
haft und leuchtend wirken. Die kräftigsten Lichter
auf den Nasenrücken, an Stirn, Haar oder Bart,
auf den Fingern und Handrücken sind durch weifse
Striche und wohlvertriebene Tupfen bezeichnet.
Mit der milden Grofsartigkeit der Charaktere
harmoniren die feinen, schlanken Gestalten. In-
nige Hingabe an ein bestimmt umschriebenes,
lebendiges Ideal bewahrt den streng prüfenden
Meister ebenso sehr vor allen Nachlässigkeiten
wie Uebertreibungen in seiner Formensprache.
Seine Sorgfalt wird besonders in den schön sti-
lisirten Gewändern offenbar, welche in reichem
Faltenwurfe die schlanken, fast schulterlosen
Körper umwallen. Die würdige, statuarische
Haltung der Figuren ist durch grofse Mannig-
faltigkeit der Wendungen und Bewegungsmotive
aufs edelste belebt. Die schmalen Hände ge-
stikuliren mit Anmuth, sie fassen mit zierlichen
Fingern die Symbole, verbergen sich unter dem

2) Um Konfusion zu vermeiden, bleiben wir bei
der alten Bezeichnung „Madonna mit der Bohnen,
blitthe", wenn auch die Pflanze in Marias Hand sich
nicht mit Sicherheit botanisch bestimmen läfst.
 
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