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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Statz, Vincenz: Ueber den Bau von Nothkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0113

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165

1892. — ZFITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

160

Ueber den Bau von Nothkirchen.

Mit Abbildungen

ie Anlage einer Nothkirche kam in
früheren Zeiten fast nur dann in
Frage, wenn es sich darum handelte,
einen ganz provisorischen Raum zur
Abhaltung des Gottesdienstes für den Fall zu
gewinnen, dafs auf der Stelle einer alten bau-
fälligen Kirche ein neuer, in der Regel gröfserer
Bau errichtet werden sollte. Für diese kurze
Uebergangsperiode begnügte man sich zumeist
mit einem Bretterzelte, am liebsten mit einem
solchen, welches an einen Theil der alten Kirche
angelehnt werden konnte.

Ganz andere Anforderungen stellen auf die-
sem Gebiete die neuen Verhältnisse, welche ent-
weder um neugegründete Fabrikanlagen herum
in ganz kurzer Frist eine Menge von Arbeiter-
familien versammeln, oder in gröfseren Städten
durch schnell sich vollziehende Erweiterungen
die Bevölkerung gewaltig vermehren. Im erste-
ren Falle kommt Alles darauf an, den Ar-
beitern für ihre religiösen Bedürfnisse, damit
diese nicht erkalten, oder gar ersterben, in mög-
lichst raschem Tempo ein Haus zu bauen. Wenn
die Umstände es gestatten, dieses sofort als de-
finitive, wenn auch durchaus einfache Kirche in
Angriff zu nehmen, dann ist die Frage leicht
gelöst. Wenn aber zu einer solchen auf keinem
Wege in absehbarer Zeit die Mittel zu beschaffen
sind, dann bleibt die Anlage einer Nothkirche
der einzige Ausweg, und die Erfahrungen der
letzten Jahre beweisen, wie oft zu diesem Noth-
behelf gegriffen werden mufste, der vielleicht noch
viel häufiger hätte angewendet werden sollen.

Etwas anders liegt in der Regel die Sache,
wenn in gröfseren Städten die Pfarreien durch
massenhafte Ansiedelungen Dimensionen anneh-
men, zu denen die Raumverhältnisse der alten
Kirche in gar keinen Beziehungen mehr stehen.
Vermehrung der Pfarreien ist bald unabweisliche
Nothwendigkeit, baare Unmöglichkeit aber, für
diese sofort entsprechende Pfarrkirchen zu bauen,
zumal, wenn diese der alten Gotteshäuser und
der grofsen Stadt nicht ganz unwürdig sein sollen.
— Hieraus soll jedoch nicht gefolgert werden,
dafs die neuen Kirchen an Reichthum und Glanz
denjenigen ebenbürtig zu sein brauchen, welche
das in dieser Hinsicht so opferwillige Mittelalter
uns überliefert hat. Dafs auch mit einfachen
Mitteln wirkungsvolle Kirchen gebaut werden

können, beweisen sehr viele mittelalterliche Bei-
spiele; denn nicht so sehr in der Fülle der De-
tails, als vielmehr in der Schönheit der Verhält-
nisse liegt die Erhabenheit der Wirkung. Aechtes
Material, kräftige Gliederung, gefällige Gruppi-
rung, praktische Einrichtung reichen vollauf hin,
um auch in der Nähe kunstreicher Dome durch-
aus würdige Pfarrkirchen zu schaffen.

Wo aber auch für solche die Mittel nicht
vorhanden, auch in absehbarer Zeit nicht flüssig
zu machen sind, da bietet wiederum die Ein-
richtung einer Nothkirche die Möglichkeit, den
dringendsten religiösen Bedürfnissen der Um-
wohner baldigste Befriedigung zu gewähren. Des-
wegen haben die letzten Jahre gerade in gröfse-
ren Städten Nothkirchen entstehen sehen. In
Düsseldorf sind deren vier gebaut worden,
und sogar in Köln, welches der ganzen Welt
Kirchen hat bauen helfen, wird nicht länger
mehr darauf verzichtet werden dürfen, durch
Anlage von Nothkirchen für mehrere in der
Nähe der alten Umwallung liegende Pfarrkirchen
die Entlastung herbeizuführen, die ohne schwere
Schädigung des religiösen Lebens nicht mehr
hinauszuschieben ist.

Die Nothkirchen-Angelegenheit ist daher eine
dringende, ja eine brennende geworden und die
Frage nach ihrer einfachsten und zweckmäfsig-
sten, aber doch schönen und würdigen Gestaltung
steht im Vordergrunde der kirchlichen Kunst-
thätigkeit. Ich habe deswegen für diesen Zweck
die Mitwirkung erfahrener Kirchen-Baumeister
schon vor langer Zeit in Anspruch nehmen
wollen, bin aber hierbei mancherlei Schwierig-
keiten begegnet, die wohl zum Theil in dem
Mangel geeigneter Vorbilder, vielleicht auch in
der geringeren Vertrautheit der meisten Archi-
tekten mit den hier vornehmlich in Frage kom-
menden Zimmerarbeiten, sowie in der absoluten
Nothwendigkeit ihren Grund haben, den höchsten
Grad der Wohlfeilheit zu erstreben.

Herr Baurath Vincenz Statz hat das Ver-
dienst, im Interesse der Sache zuerst auf meine
Bitte eingegangen zu sein. Ihm verdanke ich
den Entwurf, den ich mich freue, hier vorlegen
zu können. Derselbe darf m.E. in Bezug auf prak-
tische Einrichtung, konstruktive Gestaltung, wür-
dige Erscheinung und nicht allzu kostspielige Aus-
führbarkeit als mustergültig bezeichnet werden.
 
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