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Zeitschrift für christliche Kunst — 5.1892

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Hermeling, Gabriel: Die neue Reliquienbüste für das Haupt des hl. Paulinus in Trier
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https://doi.org/10.11588/diglit.4357#0180

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275

1892. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

276

Die neue Reliquienbüste für das Haupt des hl. Paulinus in Trier.

Mit Abbildung.

ls ich den Auftrag erhielt, für diese

so kostbare Reliquie eine würdige
Wohnung in Edelmetall herzustellen,
konnte ich mir nicht verhehlen, dafs
diese x\ufgabe keineswegs eine leichte, bequemes
Verdienst abwerfende Arbeit nach sich zog.
Nachdem nun im Einverständnifs mit dem Be-
steller, Herrn Pfarrer v. Kloschinsky, sowie mit
meinem fast ständigen Berather bei so wichtigen
Arbeiten diejenige Stilperiode1) festgesetzt war,
welche für die Ausführung gerade dieses Pracht-
werkes am passendsten erschien, handelte es
sich darum, für die Arbeit ein möglichst gutes
altes Vorbild zu beschaffen. Ich glaube, dafs
meine näheren Bekannten und Freunde mir das
Zeugnifs nicht versagen werden, dafs ich mir
besonders bei solchen Gelegenheiten den Ent-
wurf nicht allzu leicht zu machen pflege. Ma-
terial mufs gesammelt, vieles besichtigt und ge-
prüft werden, und gerade bei Reliquienbüsten
ist das Material, d. h. gutes, für die Edelmetall-
technik brauchbares Material, nicht allzu leicht
zu beschaffen. Von mir in solchen Beziehungen
nahe stehender Seite wurde ich auf zwei Reli-
quienbüsten im Aschaffenburger Kirchenschatze
hingewiesen und die Photographien derselben
machten auf mich einen solchen Eindruck, dafs
ich mich entschlofs, bei der endlichen Inangriff-
nahme einer Skizze jene ganz besonders zu be-
rücksichtigen. So sehr ich aber auch das ganze
Arrangement und die Details dieser Vorbilder
bewunderte, dem Ausdruck des Kopfes und der
Behandlung der Haare konnte ich doch keinen
Geschmack abgewinnen. Aber auf dem Gebiete
des Schaffens von Meisterwerken in Edelmetall
darf man keineswegs sich allein auf seinen Ge-
schmack verlassen; ich gestehe gerne, dafs ich
im Allgemeinen dem sogen. Geschmack, beson-
ders wenn derselbe nicht durch vielfaches Be-
schauen und Studium hat geläutert werden

') [Diese wurde mit grofser Sicherheit durch den
Umstand bestimmt, dafs im Jahre 1402 das Haupt des
Heiligen dem uralten hölzernen Schreine entnommen
wurde, um in eine silberne Büste übertragen zu werden.
Im Anfange unseres Jahrhunderts wurde diese einge-
schmolzen und später durch einen Schrein ersetzt, der
dasselbe bis jetzt geborgen hat. Es lag daher der
Gedanke nahe, die neue Edelmetallbüste auch durch
ihre stilistische Behandlung als Ersatz für die leider
verloren gegangene erscheinen zu lassen. D. H.]

können, sehr wenig Sympathieen entgegenbringe
und ich mich in dieser Hinsicht sehr oft in
Opposition mit Anderen treffe. Manche alte
Holzbüste etc. habe ich besehen, auch viele
Photographieen von metallenen Büsten; nicht
minder frischte ich manche Erinnerung an das
auf, was ich bei Ausstellungen alter kirchlicher
Geräthe und Gefäfse beobachtet hatte, aber ich
kam mit meinen Plänen erst zum Abschlufs, als
ich zum wiederholten Male die kostbare Büste
für das Haupt des hl. Gregorius von Spoleto
im Kölner Domschatze genau studirt hatte. Ein
solcher Kopf könnte auch im XIX. Jahrh. aus-
geführt werden, ohne selbst bei den ernsthafte-
sten Stilistikern Aergernifs zu erregen. Für die
Behandlung des Haares aber konnte ich manchen
Fingerzeig den zahlreichen Holzbüsten in der
Sammlung des Herausgebers dieser Zeitschrift
entnehmen.

Bald war die Skizze entworfen und nachdem
sie genehmigt war, fuhr ich nach Trier. Dort
liefs ich mir die Reliquie zeigen, drehte sie in
Gummituch ein und formte den Kopf nebst
Kinnlade in Gips ab. Sie wurde nicht einmal
feucht, noch weniger verletzt; Alles blieb ab-
solut intakt. Ich bedurfte dieses Abgusses für
die Herstellung des Modells; denn nun hatte
ich einen Anhaltspunkt für die Aufsenverhält-
nisse des Kopfes, besonders bezüglich derStellen,
wo bei den meisten Menschen wenig Fleisch
auf dem Knochen liegt. Das Modell wurde fertig
und dann vorgestellt. Nach diesen glücklichst
abgelaufenen Vorarbeiten wurde das Modell
durch grade Schnitte zerlegt und dann mit dem
Treiben begonnen. Es bietet diese Arbeit nicht
geringe Schwierigkeiten; punktiren mufs man,
aber es geht nicht wie bei Stein oder Holz, dafs
diese Punkte feststehenbleiben; bei jedem Schlage
dehnt sich das Metall, bei vielen Schlägen ver-
zieht es sich gewaltig und bei demnothwendigen
häufigen Glühen desselben behält es auch nicht
immer seine Form, sondern zieht häufig sich
hin und her. Nun, ich war mit dem Verlaufe
der Arbeit zufrieden, sie ging ohne Störung,
ohne Hindernifs recht flott von Statten. Ihr
Endresultat entzieht sich der Beurtheilung meiner
Feder, doch ich finde, dafs auch meine näheren
kunstverständigen Freunde mit demselben zu-
frieden sind.
 
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