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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 1
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Schlie, Friedrich: Hölzerne Spruchteller oder Bricken aus Güstrow im Museum zu Schwerin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0012

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Abhandlungen.

Hölzerne Spruchteller
Bricken aus Güstrow
Museum zu Schwerin.

Mit 2 Farbendrucklafeln.

hier abgebildeten Teller oder
Bricken sind bereits von
Friedrich Lisch im XXIII.
: Bande (1858) der »Jahr-
üblicher d.Vereins f. mecklen-
: burgische Geschichte und
Alterthumskunde« S. 293 ff.
besprochen worden. Sie ge-
ben aber noch zu einigen Be-
merkungen Anlafs, die das Interesse an densel-
ben erhöhen und daher, bei Gelegenheit ihrer erst-
maligen Abbildung, nachgetragen werden mögen.
Die beiden Bricken wurden, wohl erhalten,
beim Durchbau eines alten Hauses auf der Nord-
seite des Marktes zu Güstrow in einem ver-
mauert gewesenen Wandschrank aufgefunden.
Der Durchmesser derselben beträgt IC cm, die
Dicke des einen 1 an, die des andern beinahe
2 cm. Sie sind auf beiden Seiten mit feinen
dauerhaften Lackfarben in Schwarz, Roth und
Gelb bemalt und stammen offenbar von einer und
derselben Hand. Die plattdeutschen „Werldt-
spröke", mit denen sie ausgestattet sind, deuten
auf profanen Gebrauch, und Lisch wird wohl
Recht haben, wenn er sagt, dafs sie als Konfekt-
teller gebraucht sein mögen.

Was sie so interessant macht, dafs sind erstens
die Verzierungen und zweitens in ganz beson-
derer Weise die genannten Sprüche.

Von Renaissance keine Spur, alles ist gothisch:
das Stabwerk, die Blätter, die Kreuzblumen, die
Pafsformen und die Minuskeln.

Ginge es nun nach den Verzierungen, so
möchte man die Bricken nach Mafsgabe datirter
niederdeutscher Denkmäler gleichen Stils lieber
vor als nach 1500 setzen, aber die Schrift
stimmt so auffallend mit einem bis zum Jahre
1534 fortgeführten Rechnungsbuch einer Priorin
des Klosters Dobbertin überein, welches sich
im Grofsherzoglichen Archiv zu Schwerin be-
findet, dafs man beide, Bricken und Buch, wenn
auch nicht auf die gleiche Hand, so doch auf
dieselbe Schreibschule zurückführen mufs und

daher erstere wohl am besten dem ersten oder
zweiten Dezennium des XVI. Jahrh. zuweist.
Besonders charakteristisch ist für beide Theile
die Ligatur von b und e, wie wir sie oftmals,
z. B. in den Wörtern üarbc und ünnbrt sehen.
Ferner ist das am Häkchen mit einem senk-
rechten Zierstrich durchzogene r, wie wir es,
freilich nur ein einziges Mal, in dem Worte rcftc
lesen, in dem mit schöner, sicherer, fester, fast
männlicher Hand geschriebenen Rechnungsbuch
der Priorin die Regel. Demgemäfs sind wir
wohl auf dem richtigen Wege, wenn wir die
Bricken etwas früher als dieses, etwa in das
erste oder zweite Dezennium des XVI. Jahrh.
setzen. Lisch plädirt für die Zeit von 1480 bis
1500, gibt aber keine eingehenderen Gründe
dafür an; das Dobbertiner Rechnungsbuch hat er
damals noch nicht in den Händen gehabt.

Betrachten wir nun den Inhalt des Geschrie-
benen. Der eine Teller (Fig. 1) enthält zwei
Gebete und zwei Sprüche, der andere vier der
letzteren und keine der ersteren. Um das Jesus-
monogramm des einen steht in kreisförmiger
Anordnung das Gebet:
lgcclji Ijcrc rtotfj
utlj aller uotlj:
borclj tmnni butteren botlj nmen.

(Hilf Herr Gott

aus aller Noth

durch Deinen bitteren Tod Amen.)

Auf derselben Seite am Rande der Spruch:
Dclc1) rr lurrt!) encg ptocrbe-S ljolu Ujo reüc2)
lucu euer fjojen tunrje ^teftt:
rnn tuitniluc ninnjcljc mntrj beme iminbc
ij bogcr tuen rnn atge üo^c luiinbc.

(Viel eher wird eines Schwertes Hieb zurecht

denn einer bösen Zunge Stiche;

ein Mensch, untreu mit dem Munde,

ist böser denn eine arge böse Wunde.)

Auf der Gegenseite (Fig. 1 a) in der Mitte um
das Christusmonogramm das Gebet:

SCcl) jjete uorlcuc ung bvnic guaüc:
mibe rmff frebe in un$$etl barjf.n.

(Ach Herr, verleihe uns Deine Gnade
und gieb Frieden in unseren Tagen.)

») Man darf ebensowohl p wie to lesen. Noch bis
ins XVIII. Jahrh. hinein herrschte der Brauch, den
ersten Zug im b ein- und mehrmals abzusetzen.

2) trjo rtüt = zurecht. Schon Lisch zitirl die noch üb-
liche Redensart rjc taut to rtne, d.h. er wird wieder gesund.
 
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