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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 7
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Firmenich-Richartz, Eduard: Stephan Lochner, der Meister des Dombildes
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199

1893. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

200

gerade beschäftigte. Ende dieses Jahres ist
Stephan Lochner an der Pest gestorben. Ein
Kreuzchen bei seinem Namen in der Rathsliste
bezeichnet seinen Tod. Die näheren Umstände
schliefsen wir aus einem Gesuch, mit dem sich
der Pastor von St. Alban, Prof. Paulus von Gerres-
heim und vier Kirchenmeister am 22. Sept. 1451
beim Ausbruch der Pest an den Rath wandten.
Sie baten hierin, sich der Pestleichen zum Theil
entledigen und dieselben auf den freien Platz
zwischen Heinrich Hardefuyst und „Steffain
Lochener des meilres" Haus bringen zu dürfen,
da sie „vur groifsem stänke" es in Kirche und
Pfarrhaus nicht auszuhalten vermöchten. Der
grofse Meister wird also der so nahe drohenden
Gefahr der Ansteckung erlegen und im besten
Mannesalter noch vor Weihnachten 1451 im
Pesthaus gestorben sein.15) Seine Hauptschöpfung,
der Altar der Stadtpatrone, fällt wahrscheinlich
in die letzten Jahre seines Schaffens.

Seit 1426 wurde an der Stelle, wo ehemals
die Synagoge der aus Köln vertriebenen Juden
gestanden, zur Sühne eine Kapelle errichtet,
„um zu verstoeren die maenchfeldige groifse
unere, as die Juden unser liever vrauwen, ind
yrme lieven kynde ihn xpo unsme hren maench
Jare . .. angedain ind bewyst haint." 16)

Für dies Gotteshaus malte Stephan Lochner
sein Meisterwerk, zu diesem Anlafs sammelte
er seine ganze künstlerische Kraft und schuf
den Altar der Stadtpatrone,17) der dem alten
Herkommen gemäfs aus einem Mittelstück und
zwei beiderseitig bemalten Flügeln besteht; eine
Eintheilung, welche der Meister ähnlich wie im
Genter Altare für seine Komposition zu ver-
werthen wufste.

In der Mitte des Hauptbildes erblicken wir
die Himmelskönigin völlig en face auf dem
Throne, eine hehre und doch trauliche Erschei-
nung! In stiller Glückseligkeit hat sich der Blick
ihrer sanften blauen Augen gesenkt, himmlischen
Frieden athmet ihr ganzes Wesen. Auf dem
Schoofse hält sie sorglich mit feinen gespreizten

1S) Vgl. die Belege in der Neuausgabe des Merlo'schen
Werkes »Kölnische Künstler«, dort auch weitere Litte-
ralurangaben.

lfi) Die Urkunde publizirt F. Kugler • Rheinreise«
(1841). »Kleine Schriften« (1854), II, S. 295.

17) Mittelstück, h. 2,82 m, br. 2,51 m. Farbendruck
der Arundel Society, Kupferstich von Massau, zahlreiche
Lith., Stahlst, etc. In der beigegebenen Lichtdruck,
tafel VI wird die erste unretouchirte Originalauf-
nahme publizirt.

Fingern das dralle Körperchen des Christkindes,
welches in überaus lebendiger Bewegung das
pausbackige Köpfchen und dieHand segnend dem
ältesten der hl. Dreikönige zuwendet. Dieser ist
zur Linken anbetend niedergesunken, die zitternd
zusammengelegten faltigen Hände, das greise
Haupt voll Innigkeit und feierlichem Ernste zum
Heiland erhoben. Rechts bietet der zweiteMagier,
eine treffliche Gestalt von derb charakterisier
Männlichkeit kniend seine Gaben dar, weiter-
hin naht schüchtern jünglinghaft der Dritte, die
Hand in aufrichtiger Hingebung an's Herz ge-
legt, in den Mienen die strahlende Freude bei
der Erfüllung langen Sehnens. Von den Seiten
drängt mit Fahnen und Prunkwaffen ein glänzen-
des Gefolge huldigend herbei.

Auf dem linken Flügel schreitet Ursula
demuthvoll von ihrem Bräutigam Aetherius ge-
leitet mit zwei Bischöfen (St. Severinus und
St. Cunibertus) und ihren Jungfrauen heran, den
rechten nimmt St. Gereon in goldigstrahlender
Rüstung mit seinen kecken Knappen ein.

Alle diese Figuren sind in das prächtige
Zeitkostüm gekleidet und gruppiren sich ebenso
einfach wie kunstvoll um den idealen Mittel-
punkt, die Madonna mit dem göttlichen Kinde.

Auf den Aufsenseiten der Flügel ist in ge-
dämpften Farben die Verkündigung geschildert.
Mit gewaltigem Flügelschlag naht sich der Erz-
engel, die göttliche Botschaft: „Avegratiaple\na
dominus lecum" verbrieft und gesiegelt in den
Händen. In entzückender Holdseligkeit wendet
Maria verschämt lauschend das Angesicht, ihre
momentane Bewegung ist unübertrefflich ge-
schildert, fromme Gottergebenheit und himm-
lische Minne überzeugend verkörpert.

Bei dieser hohen idealen Auffassungsweise,
welche überall den Ausdruck der Unschuld,
ritterlicher Frömmigkeit und festlicher Würde
erstrebt, stellt sich in dem Werke doch auch
schon der lebensfrische Hauch froher, derber
Natürlichkeit ein. Dies gilt ebenso von den
zarten, schalkhaften Mädchenerscheinungen mit
den vollen, lachenden Gesichtern, den grofsen
blauen Kinderaugen, Stumpfhäschen und rund-
lichem Munde, wie von den etwas plumpen,
knolligen Zügen der biederen Männerköpfe.
Jede Gestalt findet ihre besondere, eingehende
Charakteristik, ihre kräftige Abrundung und
natürliche Bewegung; nur in der Zeichnung der
schmalen Handwurzel, in der gespreizten, stelzen-
artigen Stellung der Beine zeigt sicli ein ge-


 
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