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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 9
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Atz, Karl: Alte Werke der Kunst und des Kunsthandwerkes auf der heurigen Landesausstellung zu Innsbruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0156

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275

1893.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

276

Nachrichten.

Alte Werke der Kunst und des Kunst-
handwerkes auf der heurigen Landesaus-
stellung zu Innsbruck.

Nach dem Vorbilde anderer Länder hat diesen
Sommer auch Tirol eine Ausstellung in der Landes-
hauptstadt veranstaltet, welche des ganzen Landes
Thätigkeit auf den verschiedensten Gebieten, besonders
aber in Kunst und Gewerbe aus alter und neuerer Zeit
einigermafsen darlegen sollte. Wir machen selbstver-
ständlich nur auf das aufmerksam, was die Leser der
■ Zeitschrift für christliche Kunst« zunächst und am
meisten interessiren durfte, nämlich auf die Werke kirch-
licher Kunst und von diesen auch nur auf jene älteren
Datums; von den neuesten Erzeugnissen auf nur
wenige, welche mit Zugrundelegung älterer und edlerer
Motive geschaffen wurden. Die kunsthistorische Ab-
theilung bildete die hervorragendste Zierde der ganzen
Ausstellung; es waren ziemlich viele Gegenstände zu-
sammengebracht worden, man könnte annehmen ein
Drittel aller beweglichen Werke der Plastik und Ma-
lerei, der Kleinkünste u. s. w., welche noch im Lande
geblieben sind. Allbekannt ist es, wie schon lange,
besonders aber in diesem Tahrhunderte, zahlreiche Er-
zeugnisse der Kunst und des Gewerbefleifses oft in
ganzen Wagenladungen über die verschiedenen Grenzen
geschafft worden sind. Es sei blos erinnert an die
Kunstsammlung des Schlosses Ambras, nun in Wien,
an die tirolischen Sammlungen im Nationalmuseum zu
München und zu Nürnberg, in der Bildergallerie zu
Schleifsheim, zu Augsburg und an die tausenderlei
Objekte, welche Privatsammlungen aller Herren Länder
aufweisen.

Wir beginnen mit der Architektur und steigen dann
der Reihe nach zu den übrigen Künsten und Kunst-
zweigen herab, wie sie sich als Ausstattung ihrer
Mutter, der Baukunst näher oder entfernter anschliefsen.

Von Rissen und Ansichten architektonisch merk-
würdiger Kirchen und Kapellen im Grofsen und Ganzen
oder in Details rnufste in dieser Abtheilung der Aus-
stellung aus Mangel an Raum gänzlich abgesehen wer-
den, nur die Kunstgewerbeschule von Innsbruck brachte
in mehreren Blättern die interessanten spätgothischen
Kirchen von Kundl im Unterinnthale und Civezzano
bei Trient, sowie reichbemalte Außenseiten von ein
paar Häusern. Abbildungen von alten noch erhaltenen
Gewölbemalereien in Kirchen fehlten leider.

Altäre konnten wegen des sehr schwierigen Trans-
ports der meisten gebrechlich gewordenen Werke nur
in drei vollständigen Exemplaren, von anderen nur
Details, meistens Flügelthüren, zur Ansicht gelangen.
Davon traf es zufällig drei erhaltene Altarwerke, welche
wahrscheinlich nicht von einheimischen, sondern aus-
wärtigen Künstlerhänden herrühren. So der Altar aus
der St. Veitskirche zu Tartsch in Obervinstgau, einer
bis 1818 zur Diözese Chur gehörigen Gegend, daher
finden wir im viereckigen Schreine neben Maria mit dem
göttlichen Kinde in der Mitte die Diözesanheiligen
Lucius und Florinus zu ihren Seiten; innen auf den
Flügelthüren Johannes d. T. und Anna als selbdritt,
aufsen die Verkündigung, wo Gabriel in reichem Mantel

aus Brokatstoff einen Kopf mit Adlernase und langem
Haare zeigt, dafs man glauben möchte, es handle sich
um ein Porträt des Kaisers Max I. in Halbprofil, und die
Vermuthung entsteht, es sei dies keine zufällige Erschei-
nung, sondern rühre aus Dankbarkeit für Beiträge zum
Altarwerke oder zur Kirche von Seite des kunstlieben-
den Landesfürsten her, von dem viele derlei edle Gaben
bekannt sind. In der Predella finden wir Christum
segnend mit den zwölf Aposteln als Brustbilder in
Hochreliefs, in drei zierliche Gruppen abgetheilt, wo,
von aber jene auf der Evangelienseite leider abhanden
gekommen und nun durch ein anderes Relief ersetzt
ist. Auch den sonst an allen tirolischen Altären regel-
mäfsig wiederkehrenden Aufsatz über dem Schrein in
zarten Fial- und Baldachinbauten mit Christus am
Kreuze oder als Misericordiabild auf seine Seitenwunde
hinzeigend nebst Maria, Johannes oder anderen Hei-
ligen und Engeln hat der Zahn der Zeit zerstört. Unter
Anderem steigert sich aber das Interesse an diesem
Altar dadurch, dafs sich dessen Meister oder doch
die daran betheiligten Maler durch Monogramm, In-
schrift und Angabe der Zeit des Entstehens verewigt
haben. So stehen auf einem Spruchbande in der Ver-
kündigung die verschlungenen Buchstaben G H und
die Zahl 1514 (Hans Baidung Grien?) Die Rückseile
des Schreins zeigt den Oelberg und darunter die In-
schrift: „Hoc divinum opus de manu mgr. yvonis
strigilts ex memmingen produetum est anno 1514"

Ein gröfserer Altar war aus dem um 1519 ge-
bauten St. Barbara-Kirchlein in Gossensafs am Fufse
des Brenners ausgestellt, ein an fein geschnittenen
Ornamenten sehr reiches Werk, darunter auch ver-
schlungene Rebzweige, die durch die vielen Trauben
sich geltend machen. Drei Statuen stehen wiederum im
Schreine: St. Barbara als Patronin in der Mitte, Lau-
rentius und Sebastian, letzterer reich bekleidet und mit
tellerartiger Kopfbedeckung. Die Figuren könnten etwas
schlanker gebaut sein, der Gesichtsausdruck befriedigt.
Ueberjede dieser Statuen ist ein reich profilirter Halb-
kreisbogen angebracht, wovon sich ein geschweifter
Wimberg mit Fialen, einen flachen gemeinsamen Bogen
durchwachsend, luftig emporschwingt und selbst über den
Eselsrücken hoch hinausragt, mit welchem der Schrein,
belebt durch reiches Ornamentenwerk, abschliefst. Dieser
in vieler Beziehung für ein spätgothisches Altarwerk
gefällige Abschluß kehrt noch an mehreren tirolischen
Flügelaltäreu wieder, z. B. in Dreikirchen, St. Nikolaus
bei Ebbs im Unterinnthal u. s. w. Die vier Reliefs auf
der Innenseite der Flügelthüren, die wiederum von
zarten Ornamenten umrahmt sind, beziehen sich auf
die Verwandtschaft und die Kindheit Mariens. Aufsen
an den Flügelthüren sehen wir gemalte Szenen aus dem
Leben (esu: Beschneidung, Opferung, Anbetung der
Weisen und Jesum als Knaben im Tempel. Die Figuren
der Predella fehlen, dafür hat man zwei Flügel eines
anderen und älteren Altarwerks eingesetzt, die eine
tüchtige Künstlerhand verrathen. Ist an diesem Kunst-
werk auch kein Name beigefügt, so leuchtet aus dem
Ganzen doch die Verwandtschaft mit dem ersteren
deutlich heraus. Es offenbart sich jene Richtung, welche
den schwäbischen Meislern eigen isl: nämlich eine mehr
 
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