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Zeitschrift für christliche Kunst — 6.1893

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Heft 9
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Atz, Karl: Alte Werke der Kunst und des Kunsthandwerkes auf der heurigen Landesausstellung zu Innsbruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4305#0159

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281

1893.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 9.

282

Stifterin dieses Benediktinerklosters aus der zweiten
Hälfte des XII. Jahrh, reich ausgestattet. Der Grundstoff
besteht nur aus Linnen, der aber mit figuraler und
ornamentaler Stickerei vollständig bedeckt ist. Der
Grund ist durchaus roth und wie alle Ornamente und
Figuren in gleichinäfsigem Flach- oder Plattstich ele-
gant ausgeführt. Die Rückseite zeigt das Gotteslamm
umgeben von den Evangelistensymbolen und ist in
Goldfäden gestickt in der Mitte eines ornamentalen
Kreuzes, während in dessen Armwinkeln die Evan-
gelistenzeichen als Diakonen mit Thierköpfen (mit Aus-
nahme des Matthaeus), im Halbprofil ihren Platz an-
gewiesen erhielten. An der Vorderseite kehrt die im
Frühmiltelalter so beliebte Majestas Domint wieder.
Zwei Engel in langen, breit gegürteten Alben um-
schweben in huldigender Stellung ihren höchsten Herrn,
lieber die übrigen Flächen beider Seiten breiten sich
vier Bäume von gelber Farbe mit vielen Blumen und
Blättern auf den reich verzweigten Aesten malerisch
aus. Leider hat man später die Kasel etwas zuge-
schnitten, so dafs nur etwas mehr als je die Hälfte
eines Baumes zu sehen ist. Trotz dieser bedeutungs-
vollen Ornamente, welche an das Kreuz Christi als
Lebensbaum sprechend erinnern, brachte man noch
überdies auf der Vorder- wie Rückseite ein schmales
Gabelkreuz aus reich gemustertem sarazenischen Seiden-
stoff mit Goldgrund an belebt durch gröfsere und
kleinere Thiere und Sprüche, wie auf oben besprochenem
Reliquienglas. — Die Stola präsenlirt einen schmalen
Linnenstreifen, der mit den Figuren von Christus, Maria,
Johannes d. T., Aposteln und anderen Heiligen ganz
bedeckt ist; sie stehen unter Rundbögen, die von zwei
Säulchen gestützt werden (Abbildung in »Tirol's Kunst-
geschichte« von Atz). Auch die Stifter Graf Ulrich
und Frau Uta fehlen nicht, jeder knieend vor einem
Heiligen. — „Kaselkreuze aus der gothischen Periode"
zeichneten sich ebenfalls wie durch Bildstickerei so
durch feine Ornamente aus, wobei der Kreuzesstamm
als lebendiger Baum kräftig in den Vordergrund trat.

Von 5 Mitren finden wir an zwei den Titulus und
Circuitus aus sarazenischem Goldgewebe, an einer aus
sizilianischem Stoffe mit Centauren und Sirenen; eine
der ersteren hat auch an den übrigen Flächen ihren
ursprünglichen, fein gemusterten, weifsen Stoff aus dem
Orient bewahrt. Zwei andere gehörten dem Ende des
XV. Jahrh. an, eine mit strahlenförmiger Hochstickerei,
die andere reich mit Melallbeschlägen und Halbedel-
steinen geschmückt.

Zwei Pontifikal-Handschuhe aus weifser Seide
gestrickt, mit gestickter Verbrämung aus Perlen, er-
weckten allgemeines Interesse durch zwei Medaillons,
die mitten auf der oberen Seite aufgenäht waren; sie
stellten Maria und St. Paulus in byzantinischem Zellen-
Email vor. Die Zeichnung der Bilder wie der Cha-
rakter der Buchslaben ihrer beigesetzten Namen setzt sie
wenigstens ins XL Jahrh. zurück. Für etwas jünger hielt
man zwei „bischöfliche Schuhe" aus einem sizilianischen
Gewebe mit Thierfiguren in Rankenwerk und der öfter
wiederkehrenden Inschrift: ,,Grifone", ebenfalls dem
Domschatz von Brixen entstammend, wie die I landschuhe.

Ungemein anziehend sah ein Kabinet aus, dessen
Wände mit „golddurchwirkten Teppichen (Gobelins)
aus dem Domschat/, in Trient" behängt waren. Sie

veranschaulichen Szenen aus dem Leben und Leiden
des Heilandes als: seine Geburt, die Fufswaschung,
sein Verhör vor Kaiphas, vor Pilatus, wie er das Kreuz
schleppt, die Abnahme vom Kreuz und die Auferstehung.
Das sind die Hauptbilder, an welche sich je zwei, auch
drei kleine in der oberen Ecke noch weiter anschliefsen,
z. B. im ersten Hauptbild: die Verkündigung und An-
betung der Könige; im zweiten: Oelberg und Gefangen-
nahme u. s.w. Die Umrahmung ist eine doppelte; zu-
nächst finden wir rechts und links'vom Hauptbild zwei
reich verzierte Pfeiler mit musizirenden Putten und weiter
eine ringsumlaufende mit Blumen und Früchten über-
füllte Bordüre. Im Jahre 1531 wurden dieseWandteppiche
vom Bischof Bernard Cles von Trient um den Preis
von 1000 Dukaten für die Kapelle seines bischöflichen
Residenzschlosses Castell di buon consiglio in Trient
angekauft. Sie sind also ungefähr gleichzeitig mit den
berühmten Rafaelischen Arazzi und stehen ihnen an
glanzvoller Wirkung nicht nach. Beide kamen von
Brüssel; hier steht nämlich im Gewandsaume der Grabes-
wächter bei der Auferstehung die Inschrift: WOF.
PEETER. DE. ARSETTI. A. BRVESEL, wodurch
man den Namen des Webers, nicht des Malers an-
gezeigt glaubt. Abbildungen in Lichtdruck brachten
die »Milth. d. k. k. Centr.-Kommiss.« vom Jahre 188G.
Auch noch ein paar andere Gobelins mit religiösem Inhalt
waren zu sehen, die ebenfalls eineBesprechungverdienten.
Schöne Miniaturen bot eine förmliche Auslese
aus den Bibliotheken, der Universität und des Museums
von Innsbruck, des Priester-Seminariums in Brixen, der
Klöster Stams und Neustift.

Die ganz neuen Werke, welche irgend einen künst-
lerischen Werth beanspruchen konnten, waren bald ge-
zählt. Dahin gehört ein Flügelaltar für die Pfarr-
kirche in Bozen, entworfen von Jos. Schmid, einem
Stadikinde, mit Figuren von J. Winkler in Innsbruck
und Gemälden auf den Flügellhüren von Rabensleiner
in Klausen. Die „Tiroler Glasmalerei" hatte die ganze
Ostwand der grofsen Halle in ihrer oberen Hälfte nahe-
zu vollständig besetzt und mitunter treffliche Leistungen
im strengeren Sinne dieses hochwichtigen Kunslzweiges
ausgestellt, welche sich den in der »Zeitschr. f. christl.
Kunst« öfter wiederholten Mustern würdig anschlössen.
Aehnliches könnte man von der noch interessanteren
und seltener vorkommenden „Neuhausen'schen Mosaik-
Werkstätte" sagen, obgleich diese bisher noch fester
an dem Charakter ihrer Aufgabe sich zu halten bemüht
ist. Seit ihrer Gründung im Jahre 1877 hat sie viele
Werke auch nach Deutschland geliefert, wo diesen herr-
lichen Kunstzweig Karl der Grofse in der Stiftskirche
von Aachen, Karl IV. am Dom von Prag, der deutsche
Ritterorden für Marienwerder und Marienburg ver-
wendet hat, und welchen schon Abt Wernhart von
Hildesheim gekannt haben soll.

So haben wir nun den grösseren Theil der kunst-
historischen Abtheilung in der I. Tiroler Landesaus-
stellung dem Leser übersichtlich vorgeführt; es wären
allerdings noch mehrere Einzelobjekte, besonders pla-
stische Werke einer eingehenden Besprechung würdig,
aber diese sollen einer anderen Gelegenheit vorbehalten
bleiben, zumal der vorliegende Bericht sonst zu lang
und zu ermüdend werden konnte.

Terlun. Karl Alz.
 
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