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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Beissel, Stephan: Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0142

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1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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wurde. Kleine Bildchen konnten die Stifts-
herren allenfalls noch erkennen. Heute'ist das
Chor regelmäfsig so mit dem Schiff verbunden,
dafs alle seineAusstattungsgegenstände, also auch
seine Fenster, vom Volke gesehen und auch
vom Laien zur Erbauung benutzt werden sollen.
Darum ist es erwünscht, wenn die einzelnen
Darstellungen womöglich eine der Entfernung
entsprechende Gröfse erhalten. Das aber führt
wiederum dazu, die alten Apsidenbilder zum
Muster zu nehmen, worin stets eine mittlere
Figur durch Gröfse und Bedeutung die ganze
Kirche beherrschte.

2. Die Ausstattung des Choreinganges.

Da die alten Basiliken eine flache Decke
hatten, ward ihre Apsis von einer viereckigen
Wand eingeschlossen; der Halbkreis der Apsis
schnitt aus der Wand ein Stück heraus. Der
übrig bleibende Theil erhielt aber Figuren,
welche, wie oben erwähnt wurde, im engsten
Zusammenhang standen zu denen der Apsis
selbst, besonders: die beiden Städte, Lämmer,
Evangelistensymbole, Apostel, Propheten und
die vierundzwanzig Aeltesten. Wo ein Quer-
schiff sich vor das Chor legte, entstand ein
zweites Wandstück, aus dem am Ende des
Mittelschiffes ein der Apsis entsprechender
Halbkreis wiederum oben einen Theil wegnahm.
Was blieb, nennt man gewöhnlich: „Triumph-
bogen". Bereits im V. Jahrh. ward dieser
Triumphbogen in Maria Maggiore mit einer
grofsen Zahl bildlicher Darstellungen geziert.
In seine Mitte setzte der Mosaicist über den
Scheitel des Bogens den Thron Gottes mit
zwei Engeln und den vier Evangelistensymbolen,
an den Fufs des Bogens rechts und links die
Städte Bethlehem und Jerusalem mit den zwölf
Lämmern, in den übrigen Raum acht Szenen
aus dem Leben der Gottesmutter. Dem grofsen
Triumphbogen von S. Paul gaben Galla Placidia
und Leo I. ein grofses Brustbild Christi mit
zwei anbetenden Engeln, die vier Evangelisten-
symbole und die Bilder der Apostelfürsten.
Den Triumphbogen von S.Prassede schmückte
Paschalis zur Zeit Karls des Grofsen mit einer
reichen Darstellung der in's himmlische Jeru-
salem einziehenden Heiligen, die offenbar für
einen Choreingang vortrefflich pafste.

Das Mittelalter hat die altchristlichen Vor-
bilder an dieser Stelle weniger festgehalten,

sondern an den Anfang des Chores unten den
Erzengel Gabriel und die allerseligste Jungfrau
gesetzt,9) an dem Scheitel des Triumphbogens
aber befestigte es ein grofses Kreuz.10) So zeigte
der Choreingang die beiden grofsen Geheim-
nisse der Erlösung: die Menschwerdung und
den Tod Christi. Jedenfalls gehört also das
Bild der Kreuzigung nicht in's Chorfenster,
sondern in den Triumphbogen und auf den
Altar.

Oberhalb des Bogens malten die Künstler
des XV. und XVI. Jahrh. nicht selten das Welt-
gericht. Wir finden es an dieser Stelle z. B.
in Schwaben zu Ulm im Dome,11) zu Wimpfen
am Berge und zu Weilheim, dann zu Lindau
in der Peterskirche und zu Heinrichs bei Suhl
in Sachsen.

Wenn zu Pipping in Bayern der Triumph-
bogen die Bilder der klugen und thörichten
Jungfrauen trägt, so bietet er eine kurze Er-
innerung an das jüngste Gericht. Er schliefst
sich an die Mosaiken von S. Cäcilia zu Rom
an, wo auf der Wand über der Apsis zehn
Jungfrauen zur Gottesmutter kommen.

Aber gehört denn das Bild des Gerichtes
nicht auf die westliche Wand oder in das west-
liche Fenster? Zweifelsohne ist da seine alte
Stelle. Weil aber die Orgel jenen Theil der
Kirche fast stets einnimmt, darf man wohl für
den Fall, dafs der alte Platz nicht zur Ver-
fügung bleibt, das Gerichtsbild beim Chorein-
gang anbringen.

In vielen Pfarrkirchen steht jetzt am Anfange
des Chores die Kommunionbank an der Stelle
des Lettners. In Holland hat man häufig ihre
Enden mit einem leuchtertragenden Engel be-
setzt. Das dürfte auch anderswo nachzuahmen
sein. Die Kerzen der Engel wären dann, we-
nigstens an höheren Festtagen, während der
Austheilung der hl. Kommunion und vielleicht
während des Kanons anzuzünden. (Forts, folgt.)
Exaeten. Stephan Beissel S. J.

9) Vgl. diese Zeitschrift 1891, Sp. 207 ff.

10) Durandus, Bischof von Mende, sagt in seinem
»Rationale» Hb. I, c. 1, n. -41: Crux triumphalis in
plerisque locis in medio ecclesiae ponitur, . . . ut
omnes Signum victoriae videntes dicant: „Ave salus
totius saeculi, arbor salutifera", et ne unquam a nobis
dilectio Dei oblivioni tradatur, qui ut servum redimeret
tradidit unicum filium, (et) ut crucifixum imitemur.

n) Otte »Handbuch« 5. Aufl. II, S. 757.
 
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