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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Prill, Joseph: Erhaltung und Erweiterung alter Kirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0022

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21

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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durch das Bad der Wiedergeburt in die Zahl
der Kinder Gottes aufgenommen wurden, dafs
sie hier gebetet, Vergebung der Sünden er-
langt, am Brod des Lebens theilgenommen,
Belehrung, Trost und Stärke gefunden haben.
Auch der ungeachtet seiner bescheidenen
Maafsverhältnisse weithin sichtbare Thurm
bleibt erhalten. Zwischen beide schiebt sich
nun das neue Schiff der Kirche in der doppel-
ten Breite des alten. Da die neue Westmauer,
indem sie sich seitlich dem Thurme anschliefst,
um 0,75 m zurückgeschoben, aufserdem der
jetzt innerhalb des Kirchenraumes befindliche
Aufgang zur Orgclbühne in ein besonderes
Treppenthürmchen verlegt wird, so bietet die
neue Kirche mehr denn doppelt so viel ver-
fügbaren Raum, als vordem vorhanden war.
Der ganze Raum vertheilt sich auf ein Mittel-
und zwei Seitenschiffe in der Weise, dafs der
Mittelraum die Hälfte der ganzen Breite, d. h.
ebensoviel, wie das jetzige Schiff, als lichte
Weite erhält.

Dafs für den neuen Bautheil die roma-
nischen Stilformen sich am meisten empfehlen,
bedarf keines Beweises, handelt es sich ja um
die Ergänzung eines romanischen Baues,
und trägt auch der Thurm nichts an sich, was
dem widerstritte.

Es scheint nun am nächsten zu liegen, das
Schiff ganz mit Gewölben zu überspannen.
Das Hauptschiff würde alsdann in zwei durch
breite Gurte begrenzte Quadrate getheilt
werden. So schön indessen an und für sich
eine derartige Anlage entwickelt werden könnte,
so wenig will sie mir hier gefallen. Durch die
in Vergleich zum Chor sehr bedeutenden Ab-
messungen, z. B. die doppelt so grofse Fläche
eines Gewölbequadrats, die Stärke der Haupt-
stützen, würde das Chor, welches doch immer-
hin als Opferstätte der wesentlichste und
wichtigste Theil einer katholischen Kirche
bleibt, zu völliger Bedeutungslosigkeit herabge-
drückt, und im Aeufseren würde mit dem Chor
auch der Thurm zu sehr verlieren. Es ist
deshalb die Form der flachgedeckten Basilika
gewählt. Als Stützen der Mittelschiffmauer
dienen Säulen, nur die dem Thurm zunächst
stehenden sind als Pfeiler behandelt, weil sie
zugleich die Orgelbühne tragen. In der Höhe
schliefsen sich die Säulen den im Chor
stehenden an und bringen auf diese Weise
den neuen Bautheil in enge Beziehung zum

alten. Durch die Längstheilung des Schiffes in
fünf Arkaden — während Gewölbekonstruktion
deren vier verlangt hätte — ergibt sich ein an-
genehmes Verhältnils zu dem kleinen Chor
und wird zugleich die Höhenentwicklung in
angemessener Weise beschränkt. Die Höhe
der Säulen ist ungefähr gleich der Hälfte der
Mittelschiffsweite und ergibt 21/,mal ge-
nommen die ganze innere Höhe des Mittel-
raumes. Wie der alte Chorbogen durchaus
ungegliedert ist, so müssen es auch die Ar-
kadenbögen des Schiffes sein, und ebenso
schmucklos bleibt die Wandlläche über den-
selben. Nur auf gute Proportionen konnte
und mufste Werth gelegt werden, namentlich
auch bei der Anordnung der — nothwendig
kleinen—Fenster. Die Wandlläche kann später
durch Malerei geschmückt werden, und die
grofse Fläche über dem Chorbogen eignet sich
vorzüglich zu einem Triumphgemälde, wie es
manche der alten christlichen Basiliken auf-
weisen (vgl. Fig. 2 und 3). Die Seitenschiffe
erhalten den Säulen gegenüber leichte Mauer-
verstärkungen, die miteinander — den Ar-
kaden entsprechend — durch Bogen verbun-
den sind; es wird hierdurch sowohl der
Gegensatz wie die Verbindung mit dem Haupt-
schilf klar betont.

In der äufsern Ansicht (Fig. 4 und 5) sind
die Seitenschiffe als der untergeordnete Theil
durchaus schmucklos geblieben, selbst unter
dem Sims haben sie zum Unterschied vom
Chor keinen Bogenfries, sondern nur eine
Reihe von einfacher wirkenden Kragsteinen.
Wie dann die Entwickelung in wagerechtcr
Richtung durch das mit Bogenfries gezierte
Chorhaus fortschreitet und in der mit Lisenen
und Bogenfries gegliederten Apsis ausläuft, so
findet sie auch nach oben in der durch Lisenen
getheilten Mauer des Mittelschiffes einen reiche-
ren und leichten Abschlufs. Das Verhältnifs der
einzelnen Theile zu einander und ihre Gruppi-
rung geht zur Genüge aus den Aufrissen her-
vor; wie das Gesammtbild sich dem vom Dorfc
her Kommenden darbieten wird, zeigt die in
Fig. (i gegebene perspektivische Ansicht.

Der zweite Fall (Fig. 7 bis 11) betrifft die
Pfarrkirche zu Euskirchen im Kreise
Rheinbach.

Hier steht seit dem frühen Mittelalter eine
dem hl. Martinus geweihte Pfarrkirche, welche
 
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