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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Hampe, Theodor: Zwei mittelalterliche Dorsalien in der Kirche zu Kalchreuth
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0080

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115

1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

116

Zwei mittelalterliche Dorsalien in der Kirche zu Kalchreuth.

Jon bilderstürmerischen Tendenzen,
namentlich denen in der ersten
Hälfte des XVI. Jahrb.., verhältnifs-
mäfsig wenig berührt und in Mit-
leidenschaft gezogen, darf Nürnberg sich noch
heute rühmen, den Schmuck seiner Kirchen
ziemlich genau so bewahrt zu haben, wie es
ihn aus dem Mittelalter überkommen hatte. Und
was für die Stadt selbst gilt, das gilt auch, frei-
lich in beschränkterem Maafse, für das um-
liegende Land, insbesondere für das ehemalige
Gebiet der alten Reichsstadt. Nicht viele
Gegenden im deutschen Vaterlande gibt es,
wo sich auf engem Raum so viele Zeugen
einer vergangenen Zeit noch an dem nämlichen
Platze, für den sie ursprünglich bestimmt ge-
wesen waren, vorfinden. Und so Vieles auch
schon über Nürnberg und seine Kunstwerke
geschrieben worden ist, hie und da tauchen
doch immer wieder bedeutsame Leistungen
der alten Nürnberger Künstler und Kunsthand-
werker auf, welche die Forschung bisher ver-
nachlässigt oder gänzlich unberücksichtigt ge-
lassen hat. Zu diesen gehören auch einige
ehrwürdige Kunstgegenstände in der Kirche zu
Kalchreuth, mit denen ich die Leser dieser
Blätter im Folgenden bekannt machen möchte.
Kalchreuth ist ein altes Dörfchen 12 km
nördlich von Nürnberg und ungefähr ebenso
weit in südöstlicher Richtung von Erlangen
entfernt. Seine Lage, nicht in unmittelbarer
Nähe einer Eisenbahnstation, mag dazu bei-
getragen haben, dafs die mannigfachen Werke
kirchlicher Kunst, welche seine Kirche birgt,
noch nicht die Beachtung gefunden haben,
welche sie verdienen. Einige freilich, wie das
Sakramentshäuschen aus Meister Adam Krafts
Werkstatt oder der Hochaltar mit figurenreichen
Schnitzereien in der Art des Veit Stofs und Ge-
mälde aus Wolgemuts Offizin, findet man in der
Litteratur mehrfach erwähnt, anderen dagegen ist
selbst diese geringe Ehre meines Wissens noch
nie zu Theil geworden. Ich denke dabei weniger
an die ,,mehr oder minder roh bemalten Bretter",
deren auch die Kirche in Kalchreuth eine ganze
Anzahl besitzt und die, nebenbei bemerkt, in
der Regel denn doch etwas besser sind, als
der Ruf, in den sie durch Thausing gekommen
sind; ich möchte hier vielmehr in erster Linie
auf eine Reihe etwa drittellebensgrofser Terra-

kottafiguren, welche Christus und die zwölf
Apostel darstellen und aus dem XIV. Jahrh.
stammen, sowie auf die in der Ueberschrift an-
geführten Rücklaken oder Wandbehänge hin-
weisen. Wenn jene Figuren, die augenschein-
lich in naher Beziehung zu den bekannten
sechs Apostelfiguren aus roth gebranntem Thon
im Germanischen Museum und den vier dazu
gehörigen in der Jakobskirche zu Nürnberg1)
stehen, aber gegenüber diesen für jene Zeit
immerhin tüchtigen Werken deutscher Plastik
nur den Rang von Schüler- oder Werkstatt-
arbeiten beanspruchen können, mit weifser
Farbe roh angestrichen, wie sie sind, auf den
Beschauer heutzutage einen besonders günstigen
Eindruck hervorzubringen oder ihm einen
künstlerischen Genufs zu bereiten nicht mehr
im Stande sind, so darf dies von den ge-
nannten Gewebestücken nicht in gleicher Weise
gesagt werden. Bei ihnen gesellt sich zu dem
rein historischen Interesse auch das ästhetische,
und so sind denn sie vor Allem es werth,
aus ihrem Dunkel in das Licht einer kunst-
geschichtlichen Betrachtung gerückt zu werden.
Das ältere dieser zwei Erzeugnisse textilen
Kunstfleifses ist zugleich das künstlerisch be-
deutendere und auch nach Technik und Dar-
stellung interessantere. Es ist eine Wollen-
stickerei auf schwarzem Leinenstoff von ins-
gesammt 4,20 m Länge und 0,82 m Breite,
deren heutige Erhaltung und Zusammensetzung
zunächst zu einigen Ausführungen Anlafs gibt.
Sie besteht nämlich aus einem oberen 50 cm
breiten und einem unteren 32 cm breiten
Bilderstreifen, die durch eine Naht in Fisch-
grätenstich miteinander verbunden, aber, wie
wir sehen werden, nicht ein und desselben
Alters sind. Der obere Streifen seinerseits
- um zunächst bei diesem zu verweilen -
setzt sich aus zwei Theilen von 1,95 und 2,25 m
Länge zusammen, die wohl auch ursprünglich
zusammengehört haben mögen, mit denen aber
diese Reihe figürlicher Stickereien schwerlich
erschöpft war. Wenigstens scheint das gothische
Rankengeflecht, das den gleich zu besprechenden
Darstellungen als Untergrund dient, noch weiter
gegangen zu sein, da es plötzlich und ohne

') Vergl. »Katalog der im Germanischen Museum
befindlichen Originalskulpturen« Nr. 25—30 und
Bode, «Geschichte der deutschen Plastik« S. 93.
 
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