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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Beissel, Stephan: Die Skulpturen des Portals zu Remagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0103

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15<J

18UG. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

1GÖ

Basilisk wirst du schreiten und zertreten den
Löwen und den Drachen." Wenn aber auch ein
Aspis und ein Basilisk hier dargestellt wären, haben
dann Besteller und Bildhauer um das Jahr 1200
an jenen Psalm gedacht? Diese Frage stellt
uns vor den Kern der Schwierigkeit, welche
die Erklärung dieses Portals bietet. Man
ist immer von der Ansicht ausgegangen,
hier müsse ein symbolischer Cyklus zu ent-
decken sein. Ist diese Voraussetzung richtig?
Haben wir hier mehr als eine phantastische
Verzierung eines Thoreinganges mit Figuren
aus der Sage und aus dem Thierreich ohne
tiefere, zusammenfassende Idee? Dafs man im
XII. Jahrh. selbst in hochgebildeten Klöstern,
in Kreuzgängen und Portalen allerlei aus thieri-
schen und menschlichen Gliedmafsen willkür-
lich zusammengestellte Ungeheuer meifseln liefs,
die nur zieren, nicht belehren wollten, ergibt
sich doch klar aus den bekannten Worten des
heiligen Bernard an den Abt Wilhelm: In claustris
coram legentibus fratribus quid facit illa ridi-
cula monstruositas, mira quaedam deformis
formositasac formosa deformitas, quidibi immun-
dae simiae, quid feri leones, quid monstruosi
centauri, quid semihomines, quid maculosae
tigrides, quid milites pugnantes, quid venatores
tubicinantes? Videas sub uno capite multa
corpora et rursus in uno corpore capita multa.
Cernitur hinc in quadrupede cauda serpentis,
illinc in pisce caput quadrupedis.11) Mit Recht
hat schon Martin15) darauf hingewiesen, dafs der
hl. Bernard in dieser Stelle einseitig vor-
geht. Unmöglich konnte ihm verborgen sein,
dafs manche Bildwerke der Klostergänge tiefere
Bedeutung hatten. Er eifert, wenn man genau
zusieht, nur gegen solche, in denen auch wir,
wenn sie uns heute zur Erklärung vorgelegt
würden, keinen Sinn finden würden.

Man kann sehr wohl wissen, dafs der
Löwe sehr, oft diese oder jene symbolische Be-
deutung habe, ohne zuzugeben, dafs in jedem
an mittelalterlichen Gebäuden vorkommenden

14) AdWillu-lmum abbaten] s. Theodorici, cd. Paris.
1642 III, 346, cd. Mabillon I, 544. Eine ähnliche Stelle
hat Abt Angelas Rumplerua im XV. Jahrh. Vergl.
Pez, »Thes. anecd.« I, 478; Schnaase IV, 272 Anm.

u) Melange« d'archeologie, Paris, 1847 s. pa£.
120. Vergl. Heider, »Die Kirche zu Schöngrabern«,
Wien 1855. S. 114 f.

Löwen eine solche liege. Wer eine gröfsere
Anzahl mittelalterlicher Kapitelle, Friese, Chor-
stühle, Wasserspeier studirte, wer sich genauere
Notizen über eine gröfsere Anzahl solcher
Serien machte und nach deren Sinn suchte
unter Benutzung der besten Werke, die sich
mit ähnlichen Dingen beschäftigen, der wird
wohl sicher die Richtigkeit des Satzes aner-
kennen: In den meisten Bilderreihen
dieser Art gibt es mehrere Figuren,
die als Symbole gedeutet werden
wollen, aber auch viele, die nur phan-
tastische Gebilde munterer Künstler-
laune sind. Natürlich sind hier die Serien
der Monatszeichen, der eigentlichen Bestiarien,
der Sternbilder, Tierfabeln und dergleichen
ausgenommen. Wendet man nun unsern Grund-
satz auf das Remagener Portal an, so wird man
leicht zugeben, dafs die untern Bilder der
Pfeiler und diejenigen der Seitenthür (11 bis IG)
bestimmte Bedeutung haben, ohne gezwungen
zu sein, in allen übrigen eine tiefere Symbolik
finden zu wollen. Wer sie vorurteilsfrei an-
sieht, wird in den beiden Sirenen (1 und 10)
einen Mann und ein Weib erkennen, also finden,
dafs die alte Bedeutung der Verführerinnen
verwischt ist. Die beiden Vögel in n. 4 sind
wohl mittelbar oder unmittelbar Kopien orien-
talischer Teppichmuster. Will Jemand in der
Figur mit dem doppelten Schwanz eine ver-
flachte Umbildung einer Abraxasfigur sehen, so
mag er Recht behalten. Andere Bilder geben
das wieder, was ein Steinmetz zu Remagen am
Rhein und in den Weinbergen sehr oft sah,
einen Fuchs (oder Marder n. 5), sowie Vögel,
die einen Fisch oder eine Schlange oder einen
Wurm fingen (7 und 8). Das Schwein mag
hier, wie so oft in mittelalterlichen Denkmälern,
eine Satire auf die Juden sein. Kommt man
nicht aus, wenn man einfachhin jene phan-
tastischen Gebilde, die aus Theilen von Vögeln,
Thieren und Menschen entstanden (2, 3, C, 8),
als Spiel einer mtithwilligen Phantasie betrachtet
und sich ihrer freut, ohne weiter zu grübeln?

Weiss Jemand eine bessere Erklärung, kann
er seine Deutung aus mittelalterlichen Quellen,
Schriften und Bildwerken als richtig erweisen,
so wird jeder für die neue Aufklärung dank-
bar sein.

Exaeten. Steph. Beifsel S. J.
 
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