Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

DOI Artikel:
Justi, Carl: Die Kathedrale von Granada und ihr Baumeister, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0127

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
203

1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

204

der Kathedrale anvertraut haben? Auch das 1504
gegründete königliche Hospital war sein Werk.

Dafs ein älterer Plan von Siloe im wesent-
lichen beibehalten worden ist, lehrt ein Blick
auf den Grundrifs. (S. Abbild. 2.) Er zeigt
uns die Raumanlage einer gothischen Kathe-
drale des XIII. Jahrh. Aber noch mehr: Dieser
Rifs ist gröfstentheils eine Wiederholung des
alten von 1227 der Kathedrale von Toledo,
an der Enrique de Egas von 149-1 bis 1534
als Maestro Mayor angestellt war. Ueberein-
stimmend sind: das fünfschiffige Langhaus,
dessen vierte und fünfte Abseite sich in dem
Halbrund des Umgangs fortsetzen; der Kapellen-
kranz mit seinem Wechsel breiter und schmaler
polygoner Kapellen; das in die Fluchtlinie der
Aufsenmauern einbezogene Querschiff. Ferner
die Gewölbeintheilung des Umgangs, wo die
Zwischenräume quadratischer Joche durch drei-
eckige ausgefüllt sind. Die in Toledo nach-
träglich in die durchbrochenen Umfassungs-
mauern des Schiffs eingesetzten Kapellen sind
hier von vornherein und zwar in gröfserer
Tiefe in den Plan aufgenommen worden.

Dieser Meister Enrique war ein Sohn des
Brüsselers Anequin de Egas, der zuerst 1459
in Toledo erscheint, wo er das statuen-
geschmückte Löwenportal ausführt. Enrique hat
für den Kardinal Mendoza, den vertrauten
Rathgeber Isabellas in der inneren Politik, das
Colleg von Santa Cruz in Valladolid und später
das Hospital gleichen Namens in Toledo erbaut.
Die Herrscher übertrugen ihm auch die grofsen
Hospitäler in Santiago und Granada. Ueberall
wo schwierige Probleme der Konstruktion ge-
löst werden mufsten, wird er an Ort und
Stelle berufen, nach Sevilla, Salamanca, Sara-
gossa, Malaga, Segovia. In seinen Kirchen-
bauten blieb er dem gothischen Stil treu, da-
gegen in den Fassaden jener Hospitäler und des
Collegs hat er schon früh eine reiche und
zierliche, mit gothischen Elementen gemischte
Renaissanceornamentik angewandt, als deren
Bahnbrecher er bezeichnet wird. —

Die Rotunde.
Obige Angabe über die Aehnlichkeit des
ersten Risses mit dem von Toledo wäre je-
doch in einem Punkte nicht zutreffend. Da wo
die Fluchtlinien des Mittelschiffes sich sonst,
jenseits des Triumphbogens in der Pfeilerreihe
des Altarhauses in gleicher Richtung fortsetzten,

nahmen sie hier eine Wendung nach aufsen:
Das Altarhaus, statt wie in Toledo im halben
Achteck abzuschliefsen, näherte sich einem
Central- und Kuppelbau, einem Zehneck. Freilich
sollte dieses Zehneck erst im Gewölbe voll-
ständig zur Erscheinung kommen; unterhalb
wurden drei seiner Seiten durch den Triumph-
bogen weggenommen.

Indefs würde auch dieses unvollkommene
'Zehneck die geschlossene Wirkung eines Cen-
tralraumes, einer Rotunde gehabt haben. Die
Uebertragung des Zehnecks in die Rundform,
deren Belebung durch mannigfaltige Bogen-
stellungen war Siloe's Werk. (S. Lichtdrucktafel.)

Unser Altarhaus baut sich auf in zwei Ge-
schossen. Das untere gliedert, die Pfeilerreihen
des Langhauses fortsetzend, eine Ordnung
korinthischer Wandsäulen, zwölfe mit Einschlufs
der um die Stützen des Triumphbogens grup-
pirten. Sie umschliefsen sieben nach dem Um-
gang sich öffnende Arkaden, über deren Scheitel
noch Platz ist für sieben längliche Tribünen,
die, einst für Grabmonumente bestimmt, jetzt
Gemälde der vierzehn Kirchenlehrer zeigen.
Dies Untergeschofs ist bekrönt durch einen ver-
kröpften Fries mit groteskem Figurenschmuck.

Im oberen oder Lichtgaden, der die korin-
thische Ordnung wiederholt, reihen sich, unter
Paaren hoher Rundbogenfenster, retabelartige
Blenden, für die Alonso Cano seine sieben
grofsen Bilder der „Freuden Maria" gemalt
hat. Darüber das Zehnrippengewölbe der
Kuppel, von ebensoviel breiten Rundbogen-
fenstern am Fufs durchbrochen.

Beide I'ensterkränze ergiefsen über den Raum
und die Gemälde Cano's eine Fluth von Licht,
das indefs durch die Glasmalereien des XVI.
Jahrh. feierlich gedämpft wird. Die der unteren
Reihe sind von Theodor von Holland in Flan-
dern gemacht worden, die zehn oberen nach
Zeichnungen Siloe's von Juan del Campo. Mit
glücklichem Takt hat man die plastischen Orna-
mente nur durch Vergoldungen hervorgehoben.

Sehr imposant und sehr malerisch ist die
Aufsenansicht der Ostpartie, wie sie, sichtbar
von dem hochgelegenen Quartier des Albaicin,
als mächtiger Stufenbau aus dem Häusermeer
der alten Maurenstadt emporsteigt. (S. Abbild. 3.)
In diesem dreifältigen starken Ring von Ka-
pellenkranz, Umgang und Kuppel, umpanzert
von einem dreifachen Kranz massiver, behelmter
Strebepfeiler, bekrönt von der zehnseitigen Zelt-
 
Annotationen