Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

DOI Artikel:
Justi, Carl: Die Kathedrale von Granada und ihr Baumeister, [2]
DOI Artikel:
Schroers, Heinrich: Die kirchlichen Baustile im Lichte der allgemeinen Kulturentwickelung, [6]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0146

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
239

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

240

Bogen an der Aufsenseite stehen die Worte:
Aperi mihi Dom int portas jusiitiae. Die Wittwe
heirathete später seinen Bauführer und Nach-
folger im Amt, Juan de Maeda, dem vermacht
waren: ,,die Pläne und Zeichnungen, bauliche
und bildnerische, mit Ausnahme der der Wittwe
verbleibenden Andachtsbilder, zwei Anatomien
(ein Arm und Bein), Rüstzeug und Waffen."
Den Gehülfen wurden Aussteuern für ihre
Töchter angewiesen. Früher hatte ihm das
Kapitel eine Gruft im Chor der Kathedrale
mit „bescheidener Inschrift" zugesagt. Jetzt
bestimmte er zu seiner Ruhestätte die Pfarr-

kirche von Santiago, wo sein Verwandter Gon-
zalo Gutierrez eine Kapelle besafs. Hundert
Dukaten sollen zum Ankauf von ornamentos
der Kapelle verausgabt werden, der Kaplan
erhält eine Rente von zwölfhundert Realen
(240 Mark), der Inhaber der Kapelle seine
kleine Rüstkammer. Auch die Kathedrale seiner
Vaterstadt Burgos wurde mit einem Legat be-
dacht, und die Kirche S. Pedro de la Fuente
alldort, wo er die Taufe empfangen, mit einem
Kelch.

Er starb am 22. Oktober 1563.

Bonn. Carl Just i.

Die kirchlichen Baustile im Lichte der allgemeinen Kulturentwickelung.

(Schlufs.)

VI. Der Kirchenbau der Gegenwart,
enn die Kunstgeschichte blofs Be-
schreibung der ausgebildeten Stil-
arten wäre, so würde sie unser
Jahrhundert nur mit einem mit-
leidigen Auge zu streifen brauchen, um das
verdammende Urtheil niederzuschreiben: stillos
und charakterlos. Und uns bliebe nicht einmal
der Trost, dafs dieses Urtheil ungerecht wäre.
Es bezeichnet vielmehr ganz richtig den That-
bestand, den auch Niemand zu verhüllen sucht.
So sehr dies Angesichts unseres reifsend fort-
schreitenden und gewaltig arbeitenden Zeitalters
dem ersten Blick auffallend erscheint, so leicht
erklärt es sich für die kulturgeschichtliche Be-
trachtung. Nirgends tritt der Zusammenhang
zwischen den allgemeinen Bildlingsverhältnissen
eines geschichtlichen Zeitraumes und seiner
Kunst, die Abhängigkeit dieser von den Fak-
toren, welche die gleichzeitige Civilisation aus-
machen, so greifbar zu Tage wie hier, freilich
nach der negativen Seite.

Wir haben keine fertige Kultur. Es faucht
und zischt noch in der Tiefe des Völkerlebens,
wo die ungeheuren Elemente, aus denen die
Welt der Zukunft hervorgehen wird, sich ab-
stofsen und mischen. Seitdem die grofse Re-
volution die staatliche Ordnung und den gesell-
schaftlichen Bau der drei letzten Jahrhunderte
über den Haufen geworfen hat, ist noch nichts
Neues an ihre Stelle getreten, das die Gewähr
der Dauer in sich trüge, sondern in revo-
lutionären Zuckungen hastet die politische Ent-

wickelung weiter. Ebenso haben sich die sozialen
Mächte bisher nur im Niederreifsen gezeigt,
und schwerlich haben wir das Ende ihres Zer-
störungswerkes bereits geschaut; die neuen Ge-
bilde, denen wir entgegentreiben, liegen noch un-
erkannt im Dunkel des kommenden Jahrhunderts.
Die grofsartigen Entdeckungen im Bereiche der
Naturkräfte und die durch sie auf's Höchste
gehobenen Leistungen der Technik, denen so-
zusagen jedes Jahr immerstaunenswerthere hinzu-
gefügt, gestalten die Gütererzeugung und das
Verkehrswesen und damit das ganze volkswirt-
schaftliche Dasein von Grund aus um. Und
endlich schlägt das menschliche Wissen, mit
Riesenschritten fortschreitend, ganz neue Bahnen
ein; die Erfahrungs wissenschaften, Naturforschung
und Geschichte, gelangen zu einer Bedeutung,
deren Tragweite und Folgen sich kaum er-
messen lassen.

So stehen wir mitten in einer Umwälzung,
deren gleiche die Menschheit, soweit unsere
Kunde zurückreicht, noch nicht gesehen hat,
und vor uns thut sich eine neue Weltepoche
auf, deren Wesen wir nur von ferne ahnen
können. Die sogenannte neuere Zeit der all-
gemeinen Geschichte ist ihrem Ende nahe, und
das XlX.Jahrh. ist nichts als eine Uebergangs-
periode. Dafs sie trotz der modernen Rasch-
lebigkeit so lange dauert, beweist nur, wie weit
und tief sie alles ergreift.

Darum können wir gar keinen einheitlichen
und charakteristischen Stil haben. Die vorwärts
stürzende Kulturbewegung hat weder die äufsere
 
Annotationen